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Inhalt – Philosophisches

Tonal, Nagual, Weltdefinition

Don Juan Matus bei Carlos Castaneda: “Die Aufmerksamkeit des Tonal muß auf seine Schöpfungen gelenkt werden. Eigentlich schafft überhaupt erst diese Aufmerksamkeit die Ordnung der Welt. Das Tonal muß also aufmerksam auf die Elemente seiner Welt achten, um diese zu stützen, und muß vor allem die Ansicht der Welt als innerer Dialog aufrechterhalten.”

Zur Definition des Begriffes: “Das Tonal ist alles das, was wir als normale Welt kennen, auch ihre energetischen und subtilen Aspekte, alles was Form im weitesten Sinn angenommen hat. Dies bezieht sich auch auf gedankliche Formen und Konzepte. Das Tonal ist zugleich die Schwingung der Welt, die wir normalerweise wahrnehmen und durch die wir uns als materielle Personen hier manifestieren.” (Zitat Kraftzentrum Schamanismus)

Nur durch die Stabilität der Perzeption hält sich überhaupt das Sein im Bild und wird so Weltdefinition:
“Die Denkbewegung setzt das, von wo sie anhebt, den Stand des Noeton voraus, auf das sie sich dann hinbewegen kann, jedoch nicht so, als ob es ein Bleiben gäbe, an dem die Bewegung begänne und das sie dann hinter sich ließe. Ständigkeit des Vernommenen und Bewegung des Vernehmens sind gleichursprünglich da. Sie haben einen explikativen Sinn: Zur Denkbewegung gehört die Ständigkeit des vernommenen Anblicks, und nur in der Bewegung des Vernehmens hat das Seiende die Ständigkeit des Gleichbleibens.” (Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus)

Das Nagual hingegen ist das ganz Andere – jenseits auch apriorischer, feinstofflicher Welt-Dispositionen, vergleichbar etwa mit den Bestimmungen einer Theologica Negativa oder dem Einen des Neuplatonismus. Bei aller Andersheit ist es aber doch auf wundersame Art immanent, denn außer ihm ist schließlich nichts, und daher muß es auch in jedem seiner Subjekte in irgendeiner Form zu finden sein. Dieses allerhöchste Prinzip wird bei Matus auch (symbolisch) als “Adler” benannt, und zum Beleg seiner Immanenz wird wie folgt bemerkt:
“Und dann wurde dein Befehl zum Befehl des Adlers. Es ist eines der erstaunlichsten Dinge, die die neuen Seher herausfanden: daß unser Befehl zum Befehl des Adlers werden kann.”
Der Mensch ist in seiner tiefsten Seinsart Teil und Stoff aus dem Einen und bildet in summa und Tiefe das Eine selbst. Er ist seiner Eigentlichkeit nach das Eine und letztlich auch ist er überhaupt nur als das Eine, denn abseits diesem kommt ihm, dem Menschen, keinerlei wahre Existenz zu.

Fülle und Leere

Meister Eckhart sagt: “Gib acht, worin das Unzulängliche liegt! Das kommt vom ‘Nichts’. Was demnach vom ‘Nichts’ im Menschen ist, das muß getilgt werden; denn solange solches Unzulängliche in dir ist, bist du nicht der Sohn Gottes. Daß der Mensch klagt und leidvoll ist, das kommt stets nur vom Unzulänglichen. Darum muß, auf daß der Mensch ‘Gottes Sohn’ werde, dies alles getilgt und ausgetrieben sein, so daß weder Klage noch Leid da sei. Der Mensch ist weder Stein noch Holz, denn das ist alles Unzulängliches und ‘Nichts’. Wir werden ‘ihm’ nicht gleich, wenn dieses ‘Nichts’ nicht ausgetrieben wird, so daß wir alles in allem werden, wie Gott ‘alles in allem’.”

Dies kann für den Lebensalltag meinen: All die äußeren lebenspraktischen Erfordernisse und Bewegungen sowie die daran gekoppelten emotionalen Zustände, zuletzt der ganze psychische wie auch der physische Apparat (zur Welt), sind im Prinzip durchaus – täglich – als ein ‘Nichts’ zu bedenken. Warum dies aber keine Minderung bezeichnet: Der Mensch ist seinem Wesen nach nicht Körper – ‘weder Stein noch Holz’ – sondern feinstoffliches Sein, somit ‘Geist’, und somit ist er zugleich alles jenseits dem Nichts, und dies wiederum bezeichnet eine eigentliche Fülle und zuletzt das Sein selbst, wo der Körper und seine Welt lange nicht mehr von Interesse sind.
Es kommt also darauf an, aus diesem Gedanken, der ja durch eine tiefe Seinsbefangenheit äußerst fern zu liegen scheint, einen elementarsten Kern des Eigenen zu vergegenwärtigen, der über all dies Äußere und Veräußerte erhaben ist. Dieser Wesenskern äußert sich zwar idealiter in der wesensechten Betätigung, führt darüber gar selbstredend zu einem latenten Seinszustand eben in solcher Selbstvergewisserung, und doch überwiegt zumeist das sogenannte Lebensvolle (zum Hiesigen) bei weitem und bindet die Aufmerksamkeiten alltäglich ganz an sich, an das Weltliche. Wie läßt sich also diese Erfordernis zur ‘Tilgung’, somit der Drang zum uneigentlichen Leben nach der gängigen Definition des Lebens überwinden, daß das Wahre bereits im Hiesigen immanent wird? Das Leibliche soll eben nur Vehikel sein, die Umgebung der Objekte indes Hinweis und Hinleitung, wahre Lebensfülle aber meint vielmehr eine gelebte Ästhetik in gewisser Verneinung, die aber zugleich positives Bekenntnis ist, denn wir werden keineswegs leer durch diese Negation (da in Wahrheit die Fülle noussphärisch zu denken ist), sondern wir sollen uns lediglich leeren von der vermeintlichen Fülle ihrer weltgerichteten Entäußerung.

Gefäß

Meister Eckhart sagt: “Noch ein Weiteres, dem Ähnliches: Kein Gefäß kann zweierlei Trank in sich fassen. Soll es Wein enthalten, so muß man notgedrungen das Wasser ausgießen; ds Gefäß muß leer und ledig werden. Darum: sollst du göttliche Freude und Gott aufnehmen, so mußt du notwendig die Kreaturen ausgießen. Sankt Augustinus sagt: Gieß aus, auf daß du erfüllt werdest. Lerne nicht lieben, auf daß du lieben lernst. Kehre dich ab, auf daß du zugekehrt werdest. Kurz gesagt: Alles, was aufnehmend und empfänglich sein soll, das soll und muß leer sein. Die Meister sagen: Hätte das Auge irgendwelche Farbe in sich, wenn es wahrnimmt, so würde es weder die Farbe , die es hätte, noch eine solche, die es nicht hätte, wahrnehmen; weil es aber aller Farben bloß ist, deshalb erkennt es alle Farben.”

Für die Kunst:
Es geht um Intentionslosigkeit, um innere Leerheit und um Nicht-Geplantes, um Überraschung und unbewußte, unintendierte Errungenschaft. So läßt sich aus einer unbekannten Tiefe entnehmen und (neu) formen. Der Mensch ist dort in seiner Tiefe angebunden an die ewigen – unbekannten – Ideen (des Ganzen). Daher ist er wissend. Gleichzeitig ist er strebend, er gehorcht einer unabänderbaren Teleologie hierfür. Daher – wenn er in diesem Prozeß zur künstlerischen Darstellung kommt – nähert er sich Wahrem, Zukünftigem, Menschheitszielen, transzendenten Bestimmungen an.

C.G.Jung: “Nur als ein Strukturelement, als ein anordnender Faktor im Unbewußten vererbt sich der Archetypus, während das von ihm ‘angeordnete’ und vom Bewußtsein wahrgenommene Bild als subjektive Variante immer wieder neu entsteht.”

Diese Entstehung aber basiert auf der unvermittelten Hingabe an die ureigene Position im Dasein und ihrer Ausfüllung aus der Eigenheit. Der Mensch wird zum Schöpfer seines eigenen Mythos. Nur so kann Lebenssinn sein, der zum Geist gerichtet ist, da das Eine sich in seiner noussphärischen Ansicht wieder zurechtrücken und sich selbst bekannt werden soll. Und dies geschieht durch die Summierung der Eigenheiten als Unterschiedlichkeit der Schöpfung. Ist man Gefäß und ist man leer, nimmt man erst tiefe Eigenheit und Fülle auf und formt daraus, und dies rückwirkend zum Ursprung und Einen aus der eigenen Anlage, die sich eben dieser Art aber universalisiert.

Rückführung

Meister Eckhart sagt: “Er ist die erste Ursache, deshalb ergießt er sich hinein in alle Dinge. Darüber sagt ein heidnischer Meister, daß sich die erste Ursache in höherem Maße in alle (Zweit-) Ursachen ergieße, als die anderen Ursachen sich in ihre Wirkung ergießen. – Er ist auch einfaltig in seinem Sein. Was ist einfaltig? Darüber sagt Bischof Albrecht: Ein solches Ding ist einfaltig, das in sich selbst einheitlich ist ohne Andersartiges, das ist Gott, und alle einheitlichen Dinge werden gehalten in dem, was er ist. Da sind die Kreaturen eins in dem Einen und sind Gott in Gott; an sich selber aber sind sie nichts. -Zum dritten: Er ist ausquellend, deshalb fließt er aus in alle Dinge. Darüber sagt Bischof Albrecht: Auf dreierlei Weise fließt er aus in alle Dinge gemeinhin: mit Sein und mit Leben und mit Licht und insbesondere in die vernunftbegabte Seele in ihrem Vermögen (zur Erkenntnis) aller Dinge und in der Rückführung der Kreaturen in ihren ersten Ursprung: dies ist ‘das Licht der Lichter’ denn ‘alle Gaben und Vollkommenheiten fließen von dem Vater der Lichter’, wie Sankt Jakob sagt.”

Das “Vermögen zur Erkenntnis”: Dies impliziert ein aufnehmendes Sein, in dem Sinne, daß man durchwirkt, erfährt und zu Wissen bringt.
Jesus sagt im Philippusevangelium: “Die Unwissenheit ist die Mutter von allem Bösen. Unwissenheit dient dem Tode, denn die aus der Unwissenheit stammen, waren weder, noch sind sie, noch werden sie sein.”

“Rückführung als eine verwandelnde Aufhebung des Vielen in den Einen Ursprung, Bedingung für eine Erreichung dieses Zieles aber ist die Wendung nach innen: in der sinnlichen Erfahrung anfangend sich auf die intelligiblen Strukturen des Erfahrenen zu konzentrieren und sich von daher auf die in sich unterschiedenen Möglichkeiten des Denkens selber zu richten. Darin wird dem Denken zugleich eine je verschiedene Form von Einheit bewußt, die den inneren Aufstieg, kontinuierlich fortschreitend, auf die höchste Form von Einheit vorausweist. Eine Abkehr vom Bereich der Sinnlichkeit, die aus einer anfänglichen Entdeckung eines im welthaft oder phänomenal Wirklichen sich zeigenden ‘Einen’ herauswächst, ist Voraussetzung und Anfang der Rückwendung der Seele auf sich selbst. So nämlich konzentriert sich die Seele in ihrer Erkenntnis-Bewegung nicht nur auf das Begreifen des Einen im Phänomenal-Vielen, sondern – der Intention nach sogar primär – auf sich selbst als eine Seins-Form des Einen, die das in ihr Viele (das Gedachte, Erlebte, Erfahrene) zu einer Einheit und Ganzheit hin aufschließt und es dadurch zugleich verstehend zusammenhält. Rückgang der Seele in sich selbst, ihre Selbst-Reflexion, steht so als ‘Einheit’ im vielfältig Seienden und in ihr selbst entdeckende – im Dienste der Selbst-Erkenntnis oder der Erkenntnis des eigenen Selbst – dies verstanden als die durch Denken und durch die von ihm geleitete Emotionalität in eins fügende Kraft des Menschen, deren Aktivitäten sein bewußtes und möglicherweise glückendes Leben ausmachen.” (Beierwaltes über die Plotin‘sche Philosophie)

Zwei Welten

Fichte sagt: “Ich stehe im Mittelpunkt zweier gerade entgegengesetzter Welten, einer sichtbaren, in der die Tat, einer unsichtbaren und schlechthin unbegreiflichen, in der der Wille entscheidet; ich bin eine der Urkräfte für beide Welten. Mein Wille ist es, der beide umfasst. Dieser Wille ist schon an und für sich selbst Bestandteil der übersinnlichen Welt; so wie ich ihn durch irgendeinen Entschluß bewege, bewege und verändere ich etwas in dieser Welt, und meine Wirksamkeit fließt fort über das Ganze, und bringt Neues, ewig Dauerndes hervor, das da nun ist, und nicht mehr gemacht zu werden bedarf. Dieser Wille bricht aus in eine materielle Tat, und diese Tat gehört der Sinnenwelt an, und wirkt in derselben, was sie wirken kann.”

Alle Tat strömt aus den Prinzipien der inneren Natur sattva, rajas und tamas. Aber nur sattva birgt den Willen zur Überwindung.

“Sattva ist die Eigenschaft der Reinheit, des Lichtes, der Freude. Sattva ist das, was aus der Höchsten Wahrheit (Sattva) stammt und zur Höchsten Wahrheit führt. In der Philosophie des Samkhya ist Sattva einer der drei Gunas bzw. Eigenschaften der Natur (Prakriti). Es entspricht Reinheit, Licht, Gleichgewicht, Harmonie. Das bedeutet rhythmische Übereinstimmung mit der reinen Existenz; entspricht dem ‘intellektuellen Licht’, der intelligenten Substanz. Ein spiritueller Aspirant bemüht sich, ein sattviges, also ein reines Leben zu führen.”

Was hieraus für die Sinnenwelt geschaffen ist, gibt Beispiel und führt zugleich über sie hinaus. Die Gegensätzlichkeit der ‘beiden’ Welten gleicht sich an, wenn die Tat in der Welt ganz aus der wahrhaften und höchsten Verfassung schöpft. Diese Verfasstheit ist in der Person Realität, das ihr Außenstehende sieht indes die Tat, die sich von der eigenen abhebt und eben Beispiel gibt. Das Wirken in der Sinnenwelt ist so Abbild aus der geistigen Verortung, und je eher es in der Umsetzung gelingt, desto näher rücken transzendente und materielle Welt zu einer Welt zusammen, denn Wille, Tat und Sehen werden eins zu einem reinen Sein der einzigen ‘Realität’.

Und Jesus sagt im Thomasevangelium: “Wer sich selbst findet, dessen ist die Welt nicht würdig.”

Die magische Kraft

Arthur Schopenhauer zitiert: “Die magische Kraft setzt den, der sie besitzt, in den Stand, die Schöpfung, d.h. das Pflanzen-, Tier- und Mineralreich zu beherrschen und zu erneuern; so daß, wenn viele in einer magischen Kraft zusammenwirkten, die Natur paradiesisch umgeschaffen werden könnte. … Wie wir zu dieser magischen Kraft gelangen? In der neuen Geburt durch den Glauben, d.h. durch die Übereinstimmung unsers Willens mit dem göttlichen Willen. Denn der Glaube unterwirft uns die Welt, insofern die Übereinstimmung unsers Willens mit dem göttlichen zur Folge hat, daß alles, wie Paulus sagt unser ist und uns gehorchen muß.’ ” (zitiert nach Georg Conrad Horst, Zauber-Bibliothek)

Nun bewirkt aber die Übereinkunft mit dem Göttlichen die Überwindung der zur Welt gerichteten Intentionen, die ja gerade als Motiv oder Zielsetzung der Magie benannt sind. Schließlich ist die Welt als diese bekannte dann verschwunden und alles ist aufgegangen in dem einen Sein, das in sich selber ruhend und dabei ‘hoch-seiend’ nichts bedarf außer sich selbst, jenseits dem Weltsein. Im weiten Vorfeld aber einer Angleichung oder gar Gleichwerdung kommt es zu Phänomenen und Fähigkeiten, die gleichauf sind mit eben dieser Entwicklung zum Göttlichen oder Ganzen. Hier ist der Mensch noch mit beiden Füßen in der Welt – mit dem Kopf schon im Noussphärischen – und konfrontiert mit übersinnlichen Phänomenen, die dieser Sphäre eben entsprechen – die vom Höheren Kunde tun. Der Mensch soll sie achten als Zeichen und Wegmarken seiner Entwicklung, er soll sie aber nicht selbst als Mittel betrachten und zu Zwecken, die der Aufwärtsentwicklung zuwider liefen, zu gebrauchen suchen.

Apriorie, Kraft

Fichte: “Ich werde überhaupt nicht für mich sterben, sondern nur für andere – für die Zurückbleibenden, aus deren Verbindung ich gerissen werde; für mich selbst ist die Todes-Stunde Stunde der Geburt zu einem neuen herrlichern Leben.
Nachdem so mein Herz aller Begier nach dem irdischen verschlossen ist, nachdem ich in der Tat für das Vergängliche gar kein Herz mehr habe, erscheint meinem Auge das Universum in einer verklärten Gestalt. Die tote lastende Masse, die nur den Raum ausstopfte, ist verschwunden, und an ihrer Stelle fließt , und woget und rauscht der ewige Strom von Leben, und Kraft und Tat – vom ursprünglichen Leben; von Deinem Leben, Unendlicher: denn alles Leben ist Dein Leben, und nur das religiöse Auge dringt ein in das Reich der wahren Schönheit.
Ich bin dir verwandt, und was ich rund um mich herum erblicke, ist Mir verwandt; es ist alles belebt und beseelt, und blickt aus hellen Geister-Augen mich an, und redet mit Geister-Tönen an mein Herz. Auf das mannigfaltigste zerteilt und getrennt schaue in allen Gestalten außer mir ich selbst mich wieder, und strahle mir aus ihnen entgegen, wie die Morgensonne in tausend Tautropfen mannigfaltig gebrochen sich selbst entgegenglänzt.”

Dieses Bild bezeichnet schlicht den Zustand einer energetischen Apriorie zur Welt, es ähnelt dabei durchaus der schamanisch-induzierten Sicht auf die tiefere Verortung alles Lebendigen – de facto ist hier ein ‘Kraftstrom’ und Wirken des viel besseren und eigentlichen Lebens! Und man kann hier ebenso bemerken: Es ist offenbar etwas Kollektives in der Seele, das den Menschen global zu dieser Sicht oder Einsicht befähigt. Zur solipsistischen Anschauung indes läßt sich anfügen, daß sie hier Konsequenz ist aus der Erkenntnis des tieferen Selbst als des ‘Alles’.

Die äußeren Dinge

Fichte: “Weil ich dieses oder jenes, das doch in den Zusammenhang des gesamten Seins gehört, nicht bin, darum muß dasselbe außer mir sein; so folgert und berechnet die denkende Natur in mir. Meiner Beschränkung bin ich mir unmittelbar bewußt, weil sie ja zu mir selbst gehört, und nur durch sie ich überhaupt da bin; das Bewußtsein des Beschränkenden, dessen, was ich nicht selbst bin, ist durch das erstere vermittelt, und fließt aus ihm.
Weg also mit jenen vorgegebenen Einflüssen, und Einwirkungen der äußern Dinge auf mich, durch sie mir eine Erkenntnis von sich einströmen sollen, die in ihnen selbst nicht ist, und von ihnen nichts ausströmen kann. Der Grund, warum ich etwas außer mir annehme, liegt nicht außer mir, sondern in mir selbst, in der Beschränktheit meiner eigenen Person; vermittelst dieser Beschränktheit geht die denkende Natur in mir, – heraus aus sich selbst, und erhält eine Übersicht ihrer selbst im Ganzen; jedoch in jedem Individuum aus einem eignen Gesichtspunkte.”

In der alltäglichen Gebundenheit und Notwendigkeit wird die Seele indes ständig konfrontiert mit ansichtiger Repräsentanz von bereits überwunden Gedachtem. Die inneren Umstände wähnen sie bereits weiter, die äußeren aber gewähren ihr offenbar nicht die Entfaltung von ihrem gebührenden Status aus. Wie aber kann man in dieser Lage produktiv – oder progressiv – verfahren?
Zuvorderst durch die Reduktion auf die absolute Notwendigkeit in dieser Situation, alles, was hier nicht dringend erforderlich ist, soll abgeschieden und verlassen werden.
In der Begegnung der Notwendigkeit aber soll sanftes Beharren und Verbessern sein, so daß auch diese in gewisser Form nutzvoll wird, ja transzendiert werden kann. Auch ist eine Reflexion über den Sachverhalt dienlich, daß offenbar auch das überwunden Geglaubte oftmals noch immer (negative oder niedere) Resonanzen hervorbringt, somit entsprechende Aspekte weiterhin im Gesamten lebens-konstitutiv wirksam sind, eventuell in der Gesamtbiographie gar nicht lös- und löschbar werden können.

Das I Ging sagt: “Die Ereignisse folgen je nach ihrer Art bestimmten Richtungen. Die Dinge unterscheiden sich voneinander nach bestimmten Klassen. Auf diese Weise entstehen Heil und Unheil. Am Himmel bilden sich Erscheinungen, auf Erden bilden sich Gestaltungen; daran offenbaren sich Veränderungen und Umgestaltung.”
Die Dinge der Gestaltung sollen immer höhere Klassen durchschreiten und schließlich nur zum Heil gereichen. Zuletzt: Eine Umgestaltung alles Irdischen zum Himmlischen soll gelingen, wenn beides konvergiert zur neuen eigentlichen Form und Seinsart, die dann totale Immanenz in endloser Hebung bedeutet, denn so überwindet sich das Irdische im Irdischen zum Himmel hin.

Entbildlichung

Meister Eckhart: ” ‘Wie denn soll ich Gott lieben?’ – Du sollst Gott ungeistig lieben, das heißt so, daß deine Seele ungeistig sei und entblößt aller Geistigkeit; denn, solange deine Seele geistförmig ist, so lange hat sie ‘Bilder’. Solange sie aber ‘Bilder’ hat, so lange hat sie nicht Einheit noch Einfachheit. Solange sie nicht Einfachheit hat, so lange hat sie Gott noch nicht recht geliebt, denn recht zu lieben hängt an der Einhelligkeit. Daher soll deine Seele allen Geistes bar nicht-geistig sein und soll geistlos dastehen; denn, liebst du Gott, wie er ‘Gott’, wie er ‘Geist’, wie er ‘Person’ und wie er ‘Bild’ ist, – alles das muß weg! ‘Wie denn aber soll ich Gott lieben?’ – Du sollst ihn lieben, wie er ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild ist; mehr noch: wie er ein lauteres reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken von Etwas zum Nichts.”

Hier wird also exemplarisch die Rede von der Entbildlichung durch Eckhart dargelegt. Wie aber kann dieses gänzlich Bildlose in der Welt der Bilder, in einer Welt, die ja im Wesen Bild ist, überhaupt in irgendeiner Art immanent werden?
Zuvorderst durch ein Wissen hierum, durch ein Bewußtsein eben für die Bildhaftigkeit alles Vorfindlichen.
Und nun durch ein Leben, das eben nach Einheit strebt, das das Verbindende sucht, sieht oder erdenkt. Dabei erfordert der Begriff des Liebens nach unserem Verständnis einen Adressat, ein Zielobjekt der Liebe. Ist aber Gott wie schon benannt eine absolut entobjektivierte ‘Entität’, löst sich die Zielrichtung der Liebe zu dieser hin auf in die Weite und verallgemeinert sich in eine Totalität der positiven Bezugnahme und der ‘Entflammung’ – denn dies ist die Liebe ja ihrem Wesen nach – zum Gesamten – etwa als amor dei intellectualis im Sinne eines Triebes des Endlichen zum Ewigen und Einen. Im Bewußtsein für das Gesamte aber entsteht auch das Bewußtsein über ein Trennendes, denn was nicht einheitsdienlich ist, soll abgestoßen werden oder erstirbt schon daher, daß es dieser Zweckrichtung zuwider läuft. Das Telos zum Einen aber ist der fruchtbare Strang, an dem alles gedeihen soll. Und so soll in der Welt -im Bild – alles Ansehen symbolisch erachtet werden, eben nur als eine Manifestation einer Bewußtseins-Disposition zur höheren Emanation und deren Wesen und Sinn. Dies führt das Mannigfache gedanklich bereits auf seine Ursächlichkeit, auf eine energetische/geistige Apriorie zurück – das Erdenkende ist in sich selber verdichtetes Entität-Sein als das daraus Erdachte. Und nun sollen darüber hinaus auch die Ursächlichkeiten gedanklich aneinandergebunden und zurückgeführt werden, denn diese Dispositionen sind Nous-hafte Verortungen, die ebenso über sich selbst hinaus streben zum Ganzen, das es nicht nötig hat, das Mannigfaltige zu bewirken oder gar zu durchleben als eine Konkretion aus der Reduktion, die etwa Vereinzelung im Menschen oder allgemeiner in jeder Kreatur bedeutet.

Erkennendes Sein

Meister Eckhart: “Das innere Erkennen ist jenes, das sich als vernunftartig im Sein unserer Seele fundiert, indessen ist es nicht der Seele Sein, vielmehr wurzelt es darin und ist etwas vom Leben der Seele, denn wir sagen, daß das Erkennen sei etwas vom Leben der Seele, das heißt vernünftiges Leben, und in diesem Leben wird der Mensch als Gottes Sohn und zum ewigen Leben geboren; und dieses Erkennen ist (= geschieht) ohne Zeit und Raum, ohne ‘Hier’ und ohne ‘Nun’. In diesem Leben sind alle Dinge eins, alle Dinge miteinander alles und alles in allem und ganz geeint.”

Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Die intellektuelle Schau, das von allem sinnfällig vorfindlichen freie Vernehmen, ist die Selbstgebung des höchsten Seienden, der alle Seinsgehalte in vollendeter Gegenwärtigkeit immer schon da-habenden, in sich selbst verharrenden Tätigkeit des Nous.”

Das “innere Erkennen” Eckharts ist im Wesenskern des Nous, der sich in der Seele vernunftartig zeigt, da der Mensch befähigt ist, über seine Anlage und Wirkung zu reflektieren und diesem bewußt nachzugehen. Im Aufstieg der Erkenntnis zum erkennenden Sein gewinnt das hierin fundierende Sein selbst fortan Gewicht, daß es schließlich das Umfassende, Eine, Einzige wird. Dieses Sein ist ganz gegenwärtig und erhaben. Es ist das Sein des Geistigen, das nicht mehr rekurriert auf seine Vehikel im Hier, sondern sich ganz frei sich selber seiner Eigentlichkeit überläßt.