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Inhalt – Philosophisches

Apriorie, Kraft

Fichte: “Ich werde überhaupt nicht für mich sterben, sondern nur für andere – für die Zurückbleibenden, aus deren Verbindung ich gerissen werde; für mich selbst ist die Todes-Stunde Stunde der Geburt zu einem neuen herrlichern Leben.
Nachdem so mein Herz aller Begier nach dem irdischen verschlossen ist, nachdem ich in der Tat für das Vergängliche gar kein Herz mehr habe, erscheint meinem Auge das Universum in einer verklärten Gestalt. Die tote lastende Masse, die nur den Raum ausstopfte, ist verschwunden, und an ihrer Stelle fließt , und woget und rauscht der ewige Strom von Leben, und Kraft und Tat – vom ursprünglichen Leben; von Deinem Leben, Unendlicher: denn alles Leben ist Dein Leben, und nur das religiöse Auge dringt ein in das Reich der wahren Schönheit.
Ich bin dir verwandt, und was ich rund um mich herum erblicke, ist Mir verwandt; es ist alles belebt und beseelt, und blickt aus hellen Geister-Augen mich an, und redet mit Geister-Tönen an mein Herz. Auf das mannigfaltigste zerteilt und getrennt schaue in allen Gestalten außer mir ich selbst mich wieder, und strahle mir aus ihnen entgegen, wie die Morgensonne in tausend Tautropfen mannigfaltig gebrochen sich selbst entgegenglänzt.”

Dieses Bild bezeichnet schlicht den Zustand einer energetischen Apriorie zur Welt, es ähnelt dabei durchaus der schamanisch-induzierten Sicht auf die tiefere Verortung alles Lebendigen – de facto ist hier ein ‘Kraftstrom’ und Wirken des viel besseren und eigentlichen Lebens! Und man kann hier ebenso bemerken: Es ist offenbar etwas Kollektives in der Seele, das den Menschen global zu dieser Sicht oder Einsicht befähigt. Zur solipsistischen Anschauung indes läßt sich anfügen, daß sie hier Konsequenz ist aus der Erkenntnis des tieferen Selbst als des ‘Alles’.

Die äußeren Dinge

Fichte: “Weil ich dieses oder jenes, das doch in den Zusammenhang des gesamten Seins gehört, nicht bin, darum muß dasselbe außer mir sein; so folgert und berechnet die denkende Natur in mir. Meiner Beschränkung bin ich mir unmittelbar bewußt, weil sie ja zu mir selbst gehört, und nur durch sie ich überhaupt da bin; das Bewußtsein des Beschränkenden, dessen, was ich nicht selbst bin, ist durch das erstere vermittelt, und fließt aus ihm.
Weg also mit jenen vorgegebenen Einflüssen, und Einwirkungen der äußern Dinge auf mich, durch sie mir eine Erkenntnis von sich einströmen sollen, die in ihnen selbst nicht ist, und von ihnen nichts ausströmen kann. Der Grund, warum ich etwas außer mir annehme, liegt nicht außer mir, sondern in mir selbst, in der Beschränktheit meiner eigenen Person; vermittelst dieser Beschränktheit geht die denkende Natur in mir, – heraus aus sich selbst, und erhält eine Übersicht ihrer selbst im Ganzen; jedoch in jedem Individuum aus einem eignen Gesichtspunkte.”

In der alltäglichen Gebundenheit und Notwendigkeit wird die Seele indes ständig konfrontiert mit ansichtiger Repräsentanz von bereits überwunden Gedachtem. Die inneren Umstände wähnen sie bereits weiter, die äußeren aber gewähren ihr offenbar nicht die Entfaltung von ihrem gebührenden Status aus. Wie aber kann man in dieser Lage produktiv – oder progressiv – verfahren?
Zuvorderst durch die Reduktion auf die absolute Notwendigkeit in dieser Situation, alles, was hier nicht dringend erforderlich ist, soll abgeschieden und verlassen werden.
In der Begegnung der Notwendigkeit aber soll sanftes Beharren und Verbessern sein, so daß auch diese in gewisser Form nutzvoll wird, ja transzendiert werden kann. Auch ist eine Reflexion über den Sachverhalt dienlich, daß offenbar auch das überwunden Geglaubte oftmals noch immer (negative oder niedere) Resonanzen hervorbringt, somit entsprechende Aspekte weiterhin im Gesamten lebens-konstitutiv wirksam sind, eventuell in der Gesamtbiographie gar nicht lös- und löschbar werden können.

Das I Ging sagt: “Die Ereignisse folgen je nach ihrer Art bestimmten Richtungen. Die Dinge unterscheiden sich voneinander nach bestimmten Klassen. Auf diese Weise entstehen Heil und Unheil. Am Himmel bilden sich Erscheinungen, auf Erden bilden sich Gestaltungen; daran offenbaren sich Veränderungen und Umgestaltung.”
Die Dinge der Gestaltung sollen immer höhere Klassen durchschreiten und schließlich nur zum Heil gereichen. Zuletzt: Eine Umgestaltung alles Irdischen zum Himmlischen soll gelingen, wenn beides konvergiert zur neuen eigentlichen Form und Seinsart, die dann totale Immanenz in endloser Hebung bedeutet, denn so überwindet sich das Irdische im Irdischen zum Himmel hin.

Entbildlichung

Meister Eckhart: ” ‘Wie denn soll ich Gott lieben?’ – Du sollst Gott ungeistig lieben, das heißt so, daß deine Seele ungeistig sei und entblößt aller Geistigkeit; denn, solange deine Seele geistförmig ist, so lange hat sie ‘Bilder’. Solange sie aber ‘Bilder’ hat, so lange hat sie nicht Einheit noch Einfachheit. Solange sie nicht Einfachheit hat, so lange hat sie Gott noch nicht recht geliebt, denn recht zu lieben hängt an der Einhelligkeit. Daher soll deine Seele allen Geistes bar nicht-geistig sein und soll geistlos dastehen; denn, liebst du Gott, wie er ‘Gott’, wie er ‘Geist’, wie er ‘Person’ und wie er ‘Bild’ ist, – alles das muß weg! ‘Wie denn aber soll ich Gott lieben?’ – Du sollst ihn lieben, wie er ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild ist; mehr noch: wie er ein lauteres reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken von Etwas zum Nichts.”

Hier wird also exemplarisch die Rede von der Entbildlichung durch Eckhart dargelegt. Wie aber kann dieses gänzlich Bildlose in der Welt der Bilder, in einer Welt, die ja im Wesen Bild ist, überhaupt in irgendeiner Art immanent werden?
Zuvorderst durch ein Wissen hierum, durch ein Bewußtsein eben für die Bildhaftigkeit alles Vorfindlichen.
Und nun durch ein Leben, das eben nach Einheit strebt, das das Verbindende sucht, sieht oder erdenkt. Dabei erfordert der Begriff des Liebens nach unserem Verständnis einen Adressat, ein Zielobjekt der Liebe. Ist aber Gott wie schon benannt eine absolut entobjektivierte ‘Entität’, löst sich die Zielrichtung der Liebe zu dieser hin auf in die Weite und verallgemeinert sich in eine Totalität der positiven Bezugnahme und der ‘Entflammung’ – denn dies ist die Liebe ja ihrem Wesen nach – zum Gesamten – etwa als amor dei intellectualis im Sinne eines Triebes des Endlichen zum Ewigen und Einen. Im Bewußtsein für das Gesamte aber entsteht auch das Bewußtsein über ein Trennendes, denn was nicht einheitsdienlich ist, soll abgestoßen werden oder erstirbt schon daher, daß es dieser Zweckrichtung zuwider läuft. Das Telos zum Einen aber ist der fruchtbare Strang, an dem alles gedeihen soll. Und so soll in der Welt -im Bild – alles Ansehen symbolisch erachtet werden, eben nur als eine Manifestation einer Bewußtseins-Disposition zur höheren Emanation und deren Wesen und Sinn. Dies führt das Mannigfache gedanklich bereits auf seine Ursächlichkeit, auf eine energetische/geistige Apriorie zurück – das Erdenkende ist in sich selber verdichtetes Entität-Sein als das daraus Erdachte. Und nun sollen darüber hinaus auch die Ursächlichkeiten gedanklich aneinandergebunden und zurückgeführt werden, denn diese Dispositionen sind Nous-hafte Verortungen, die ebenso über sich selbst hinaus streben zum Ganzen, das es nicht nötig hat, das Mannigfaltige zu bewirken oder gar zu durchleben als eine Konkretion aus der Reduktion, die etwa Vereinzelung im Menschen oder allgemeiner in jeder Kreatur bedeutet.

Erkennendes Sein

Meister Eckhart: “Das innere Erkennen ist jenes, das sich als vernunftartig im Sein unserer Seele fundiert, indessen ist es nicht der Seele Sein, vielmehr wurzelt es darin und ist etwas vom Leben der Seele, denn wir sagen, daß das Erkennen sei etwas vom Leben der Seele, das heißt vernünftiges Leben, und in diesem Leben wird der Mensch als Gottes Sohn und zum ewigen Leben geboren; und dieses Erkennen ist (= geschieht) ohne Zeit und Raum, ohne ‘Hier’ und ohne ‘Nun’. In diesem Leben sind alle Dinge eins, alle Dinge miteinander alles und alles in allem und ganz geeint.”

Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Die intellektuelle Schau, das von allem sinnfällig vorfindlichen freie Vernehmen, ist die Selbstgebung des höchsten Seienden, der alle Seinsgehalte in vollendeter Gegenwärtigkeit immer schon da-habenden, in sich selbst verharrenden Tätigkeit des Nous.”

Das “innere Erkennen” Eckharts ist im Wesenskern des Nous, der sich in der Seele vernunftartig zeigt, da der Mensch befähigt ist, über seine Anlage und Wirkung zu reflektieren und diesem bewußt nachzugehen. Im Aufstieg der Erkenntnis zum erkennenden Sein gewinnt das hierin fundierende Sein selbst fortan Gewicht, daß es schließlich das Umfassende, Eine, Einzige wird. Dieses Sein ist ganz gegenwärtig und erhaben. Es ist das Sein des Geistigen, das nicht mehr rekurriert auf seine Vehikel im Hier, sondern sich ganz frei sich selber seiner Eigentlichkeit überläßt.

Unendliche Verortung und Kraft

Don Juan Matus bei Carlos Castaneda: “Du machst es dir zu leicht”, sagte er. “Du läßt dich wieder mal gehen. Du gründest die Welt auf die Vorstellung, daß alles deine Kräfte überfordert. Du lebst nicht wie ein Krieger.”

Tatsächlich dient dieser Satz als Aufforderung gegen mannigfache Verzagtheiten, denen der Mensch in seiner Alltäglichkeit anheimzufallen droht. Die Widrigkeiten und Unvorhersehbarkeiten sind angetan, ihn in ständige Not und Sorge zu versetzen, und dies immer so fort bis zu seinem Tode. Aber im Angesicht einer unzerstörbaren, grenzenlosen und mächtigen Entität des eigenen Wesens soll der Mensch immer über diese Unbill hinaus denken können, im Sinne des Wortes erhaben sein, sich immer wieder neu aufschwingen über seine eigene gefühlte Bedrückung und Niedrigkeit, dadurch allein, daß er sich seiner wahren un-erschöpflichen (sic)! Anbindung bewußt ist und daß er von einem ‘Dort oben’ seiner wahren Seele auf sich in körperhafter Minderung hinabschauen kann. Für sein alltägliches Dasein: Was er ändern kann, das ändert er, was unabdingbar ist, das wird zuletzt doch nach einer viel höheren Kausalität dazu angetan sein, ihn zu befördern – so soll der Mensch zuletzt nichts fürchten, nicht einmal seinen unausweichlichen Niedergang und Tod. Im Angesicht seiner bereits gegenwärtigen Unendlichkeit kann für ihn dieser nur sehr relative Bedeutung annehmen. Daher sei für die (alltägliche) Gegenwärtigkeit gesagt: Nur die Verortung außerhalb der prinzipiell unendlichen energetischen Disposition – der Kraft, des energetischen Seins – bringt Rückgang, Stagnation und Schwund hervor, falsches Dasein, das sich auf einem Übermaß an Vorsicht gründet. Dabei ist der Mensch bestimmt, in allen Belangen nach seiner Unendlichkeits-Tendenz zu handeln und sein Umfeld daher zu durchwirken, daß es sich seiner Stärke zuneigt – Spiegel wird seiner Kraft, der Kraft des Universums (des Nous).

Sehen und Wissen

Don Juan Matus bei Carlos Castaneda: “…die Tatsache, daß wir leuchtende Wesen sind. Wir sind Wahrnehmung. Wir sind Bewußtsein. Wir sind keine Objekte, wir haben keine feste Konsistenz, wir sind grenzenlos. Die Welt der festen Objekte ist ein Mittel, unsere Wanderschaft auf Erden angenehm zu machen. Sie ist nur eine Beschreibung, geschaffen, um uns zu helfen. Wir – oder besser: unsere Vernunft – vergessen gern, daß die Beschreibung nur eine Beschreibung ist, und so schließen wir die Ganzheit unseres Selbst in einen Teufelskreis ein, dem wir, solange wir leben, kaum entrinnen können.”

“Die Welt, die wir wahrnehmen, ist jedoch eine Illusion. Sie ist entstanden durch eine Beschreibung, die man uns seit dem Augenblick unserer Geburt erzählt hat.”

Wahrnehmung in Reduktion verwirklicht energetische Zustände und Beschaffenheiten zu Körperhaftem. Das Sehen im schamanischen Sinne aber ermöglicht den Blick hinter diese Manifestation. Die Erzählung “seit dem Augenblick unserer Geburt” fußt auf einem Einschluß des Höheren (des höheren Selbst) in eben die weltlich gebundene Wahrnehmungsphysiologie, die uns erst zu dem werden läßt, was wir in der Hiesigkeit personal darstellen und erleben. Die Allgegenwärtigkeit und dauernde Erlebbarkeit dieser Darstellung ist es nun, die wie ein Hindernis scheint zum Geistigen bzw. Feinstofflichen, das nun fernen, theoretischen, spekulativen Charakter annimmt. Über den Verlust immanenten transzendenten Charismas, den Verlust des ‘Sakramentes’ der schamanischen Gabe zur welttranszendierenden Befähigung – über den Verlust zuletzt einer zugänglichen spirituellen Empirie – hat der Blick sich dabei fortwährend zum Materiellen hin gesenkt, die Möglichkeit zur Überwindung der eigenen Festigkeit und Welt-Gebundenheit indes wird schließlich kaum noch vorstellbar. Denn eben gerade auch im Religiösen – so sollte man meinen: im Bereich gerade der eigentlichen Zuständigkeit zum Geistigen – wird das Sehen ersetzt durch Glauben, der sich auf einer vagen, entfernten Darstellung gründen soll. Dabei fußt dieser zwar (bestenfalls) auch auf einem Wissen des Höheren; dessen fortdauernde Übersetzung, Vermittlung, Institutionalisierung und Ritualisierung aber führt zu einer Entfremdung zweier Welten, die in Wahrheit ineinander zutiefst verwoben sind und schon gar keine Entrückung der Objekte von einem göttlichen Ens akzeptieren, solche Auslagerung vielmehr als objektivierte Seelenferne zum eigentlichen und totalen (Geist-) Sein erkennen..

Überkommen

Arthur Schopenhauer: “Er sieht sich an allen Stellen zugleich und tritt heraus. – Sein Wille wendet sich, bejaht nicht mehr sein eigenes sich in der Erscheinung spiegelndes Wesen, sondern verneint es.
Das Phänomen, wodurch dieses sich kundgibt, ist der Übergang von der Tugend zur Askesis. Nämlich es genügt ihm nicht mehr, andere sich selbst gleich zu lieben und für sie so viel zu tun wie für sich; sondern es entsteht in ihm ein Abscheu vor dem Wesen, dessen Ausdruck seine eigene Erscheinung ist, dem Willen zum Leben, dem Kern und Wesen jener als jammervoll erkannten Welt. Er verleugnet daher eben dieses in ihm erscheinende und schon durch seinen Leib ausgedrückte Wesen, und sein Tun straft jetzt seine Erscheinung Lügen, tritt in offenen Widerspruch mit derselben. Wesentlich nichts anderes als Erscheinung des Willens, hört er auf irgend etwas zu wollen, hütet sich, seinen Willen an irgend etwas zu hängen, sucht die größte Gleichgültigkeit gegen alle Dinge in sich zu befestigen.”

Zuletzt geht es nach dem asketischen Gedanken um die Überwindung einer Defizienz von Welt und Körper und entsprechender Affektion. Der aufstrebende Mensch mag um sich herum und durch und in sich selbst solche Verhaftung und daher ein Ungenügen erkennen und so das Dasein selbst vom Grund als schmerzvolle, überkommenswerte Minderung seiner eigentlichen Herkunft empfinden. In diesem Denken etwa bemerkte Empedokles bereits zu seiner Geburt: “Und ich weinet und schrie, als ich sah den unheimlichen Wohnsitz.” Der Wohnsitz ‘Welt’ wird indes als “dunkele Grotte” benannt. Diese Empfindung wird möglich im unauslöschlichen Bewußtsein der eigenen und eigentlichen Verortung, aus der sich ein unumkehrbarer Drang zum Höheren ergibt. Der Mensch soll strebend dabei möglichst die Hemmnisse schon im Hier erkennen, durchdenken und beginnend überwinden, um seiner wahren geistigen Veranlagung und Intention Geltung zu verschaffen. Dies aber heißt, er soll rein werden, der Profanität ein Stück entsetzt, durchlässig für die höhere Emanation soll er im Hier schon ein Spiegel sein für die feinstoffliche Welt.

Die Pflicht

Fichte: “Die Stimme des Gewissens, die jedem seine besondere Pflicht auferlegt, ist der Strahl, an welchem wir aus dem Unendlichen ausgehen, und als einzelne, und besondere Wesen hingestellt werden; sie zieht die Grenze unsrer Persönlichkeit; sie also ist unser wahrer Urbestandteil, der Grund und Stoff allen Lebens, welches wir leben. Die absolute Freiheit des Willens, die wir gleichfalls aus dem Unendlichen mit herabnehmen in die Welt der Zeit, ist das Prinzip dieses unsres Lebens. – Ich handle. Die sinnliche Anschauung, durch welche allein ich zu einer persönlichen Intelligenz werde, vorausgesetzt, – läßt sich sehr wohl begreifen, wie ich von diesem meinem Handeln notwendig wissen müsse; ich weiß es, weil ich selbst es bin, der da handelt; – es läßt sich begreifen, wie vermittelst dieser sinnlichen Anschauung mein geistiges Handeln mir erscheine als Tat in einer Sinnenwelt, und wie umgekehrt, durch die selbe Versinnlichung, das an sich rein geistige Pflichtgebot mir erscheine, als Gebot einer solchen Tat; – es läßt sich begreifen, wie eine vorliegende Welt, als Bedingung dieser Tat, und zum Teil, als Folge und Produkt derselben, mir erscheine.”
(Fichte, Die Bestimmung des Menschen)

Intention zum Sein bedingt Sein in der Welt als Individuum, und was sich daraufhin materiell abbildet, ist Resultat geistiger, feinstofflicher Tat. Umgekehrt bedingt die Art des materiellen Seins auch den (hiesigen) Geist, der auf den ersten Geist zurückwirkt. Nur ein Handeln im Sinne des Werkes (zum hohen) verleiht daher dem Dasein seinen Sinn: Eine (individuelle) Pflicht entwickelt den Mensch von seinem Stand zu seiner Bestimmung hin. Er wird damit gegenwärtig und ewig. Kommt jene Pflicht zur Erfüllung, verläßt der Mensch also die benannte Abgrenzung vom Ganzen. So liegt die Erlangung aller Freiheit eben in der Bewältigung seiner Pflicht dorthin. Durch sein pflichtgemäßes Tun erhebt sich der Mensch zur Freiheit, die seine geistige Bestimmung und Verwirklichung meint.

Verwirklichung

Meister Eckhart: “Wer den Leib unseres Herrn gern empfangen will, der braucht nicht danach zu schauen, was er in sich empfinde oder spüre oder wie groß seine Innigkeit oder Andacht sei, sondern er soll darauf achten, wie beschaffen sein Wille und seine Gesinnung seien. Du sollst nicht hoch anschlagen, was du empfindest; achte vielmehr für groß, was du liebst und was du erstrebst.”

Zu einem solchen Erstreben Beierwaltes über Ficino: ” Die Unendlichkeits-Tendenz des Geistes oder seine ontologische oder intellectuale Verfaßtheit als ‘infinita virtus’ ist auch der Grund dafür, daß er innerhalb des in sich differenzierten (gestuften) Ganzen der Wirklichkeit nicht als auf irgend eine Stufe (gradus) fixiert gedacht werden kann; er ist sozusagen nach ‘beiden Seiten hin’ offen, vollzieht seine begreifenden und wollenden Akte in sich selbst nach ‘oben und unten’ gleichsam universal, bezieht sich denkend ebensosehr auf die ‘unendliche Wirklichkeit‘ Gottes, wie auf die ‘unendliche Möglichkeit‘ der Materie, gemäß der sie unendlich viele Formen in ihr selbst sich ausprägen läßt.”

Wie aber kann es überhaupt möglich werden, sich im alltäglichen Dasein – das uns mit aller Profanität binden und bestimmen will – nach einem Höheren zu orientieren? Dies nun in der Vergegenwärtigung, in der Bewußtheit über die Potenz eben zur hohen Verwirklichung, in der Unzufriedenheit daher mit dem Status Quo, daraus resultierend in einer Ungenügsamkeit und Ruhelosigkeit angesichts des Welt-Seins. Dies fordert alltäglich ein Vorangehen und Streben, es fordert Experiment, Aneignung, Fortschritt, Durchwirkung, Erfindung, Erweiterung in der Welt, aber zur Überwindung der Welt, nicht zu ihrer Affirmation.
Zuletzt ist die Ermöglichung in der Materie ‘nur’ gleichkommend einem Durchgang durch eben sie und soll zu feinstofflicheren Seinsebenen führen. Geistigkeit selbst kann im Alltag indes durch Ausrichtung, Denkart, Praxis, Meditation, Reinigung, Klärung der Physiologie und ähnlicher läuternder Prozesse angebahnt oder gar erwirkt werden.

Ohne Vermittlung

Meister Eckhart: “Die erste Stufe des inneren und des neuen Menschen, spricht Sankt Augustinus, ist es, wenn der Mensch nach dem Vorbilde guter und heiliger Leute lebt, dabei aber noch an den Stühlen geht und sich nahe bei den Wänden hält, sich noch mit Milch labt.
Die zweite Stufe ist es, wenn er jetzt nicht nur auf die äußeren Vorbilder, (darunter) auch auf gute Menschen, schaut, sondern läuft und eilt zur Lehre und zum Rate Gottes und göttlicher Weisheit, kehrt den Rücken der Menschheit und das Antlitz Gott zu, kriecht der Mutter aus dem Schoß und lacht den himmlischen Vater an.
Die dritte Stufe ist es, wenn der Mensch mehr und mehr sich der Mutter entzieht und er ihrem Schoß ferner und ferner kommt, der Sorge entflieht, die Furcht abwirft, so daß, wenn er gleich ohne Ärgernis aller Leute (zu erregen) übel und unrecht tun könnte, es ihn doch nicht danach gelüsten würde; denn er ist in Liebe so mit Gott verbunden in eifriger Beflissenheit, bis der ihn setzt und führt in Freude und in Süßigkeit und Seligkeit, wo ihm alles das zuwider ist, was ihm (= Gott) ungleich und fremd ist.”

Der erwachende Mensch lebt in der Wahrheit seiner selbst, nicht nach einer Führung .
Plotin sagt: “Ist es aber die Seele, die du im andern bewunderst, so bewunderst du damit dich selbst.” Und: “Da nun die Seele ein so wertvolles, ein göttliches Ding ist, so halte dich durch solche Begründung nunmehr überzeugt daß du mit einem solchen Mittel zu Gott hingelangen kannst und steige gerüstet zu ihm hinauf: gewißlich wirst du ihn nicht ferne antreffen, der Zwischenstufen sind nicht viele.”

Bei Plotin ist die Seele der ausgesprochene Gedanke des Geistes.

“So kommt also der Seele die Existenz vom Geist; es besteht aber auch die Verwirklichung ihres Begriffs darin, daß sie den Geist schaut. Denn wenn sie hineinblickt in den Geist, so hat sie das was sie denkend verwirklicht, in sich selbst als ihr Zugehöriges.”
Hier wird der Auftrag des Menschen ganz deutlich gemacht: Er soll sich als beseeltes Leben der Möglichkeit eben seiner Beseelung bewußt werden, die von ihrem Grund her aufstrebt und sich zum Hohen, zum Geistigen, zum Feinstofflichen erheben will. Dies ohne jede Vermittlung, denn jene verhindert die Unmittelbarkeit, die ja gerade die eigentliche Nähe und Möglichkeit zur Totalität erst beschreiben kann.