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Inhalt – Philosophisches

Der Tod ein selig Ding

Seneca zu Epikurs ‘Gedenke des Todes’: “Der Sinn ist klar: es ist eine herrliche Sache, sterben zu lernen. Du hältst es vielleicht für überflüssig, das zu erlernende, dessen Anwendung sich auf einen einzigen Fall beschränkt. Eben das ist es, was es uns zur Pflicht macht, darauf zu denken. Immer muß man das erlernen, von dem wir durch keine Erfahrung erproben können, ob wir es auch wissen. ‘Gedenke des Todes!’ Wer so spricht, heißt uns der Freiheit eingedenk sein. Wer zu sterben gelernt hat, hat verlernt Sklave zu sein. Er ist über jede äußere Gewalt erhaben oder wenigstens außerhalb derselben. Was wollen gegen ihn Kerker und Gewahrsam und Riegel? Er hat freien Ausgang. Nur eine Kette gibt es, die ihn gefesselt hält, das ist die Liebe zum Leben. Wir wollen sie nicht von uns weisen, aber wir müssen ihren Druck mindern, damit, wenn die Entscheidung eintritt, uns nichts zurückhalte und hindere, bereit zu sein, das ohne Zögern zu tun, was einmal doch geschehen muß.”

Angelus Silesius sagt:

“Tod ist ein selig Ding: je kräftiger er ist, je herrlicher daraus das Leben wird erkiest.”

Die eigentliche Freiheit liegt im Leben, das nicht äußeren Bedingungen unterworfen ist, das überhaupt keine Objektivation eines Außen kennt sondern das schöpferisch psychisch ist aus einem selbst (Selbst), und dieses Sein liegt umso mehr außerhalb des raumzeitlichen Lebens, als es erst dort wahrhaft erfahren werden kann, wo die Körperperzeption keinen filternden, stoffbildenden Hinderungsgrund eben zur (geistigen) Freiheit (=geistigen Welt) mehr darstellt. In dieser Gewissheit der Bestimmung relativiert sich das hiesige Leben als eine Minderung und Hemmung – im weitaus besseren Falle wird es zur Vorbedingung oder Propädeutik zum Eigentlichen – als eigentliches Leben. Der Wert des hiesigen Daseins liegt nun eben darin, dies zu erkennen und das Leben eben so zu gestalten, daß es dem Wachstum des eigentlichen geistigen Wesens des Menschen dient (was lebenszeitlich zunehmende Gewahrwerdung meint), was mit anderen Worten eine Ertüchtigung über das Diesseits hinaus (schon im Leben) beschreibt. Und hierin liegt die größte Freiheit: Die eigene Unsterblichkeit zu vergegenwärtigen und im Herzen entsprechend zu sein, im Tiefen unabhängig und da schon ledig aller äußeren Bedingung.

Freiheit, Fichte, Tantra

Fichte sagt: “Ich hätte blind dem Zuge meiner geistigen Natur folgen können. Ich wollte nicht Natur, sondern mein eignes Werk sein; und ich bin es geworden dadurch, daß ich es wollte. Ich hätte durch unbegrenzte Klügelei die natürliche Ansicht meines Geistes zweifelhaft machen und verdunkeln können. Ich habe mich ihr mit Freiheit hingegeben, weil ich mich ihr hingeben wollte. Die Denkart, welche ich habe, habe ich mit Bedacht und Absicht aus Überlegung aus andern möglichen Denkarten ausgewählt, weil ich sie als einzige meiner Würde und Bestimmung angemessene erkannt habe. Ich habe mit Freiheit und Bewußtsein mich selbst in den Standpunkt zurückversetzt, auf welchem auch meine Natur mich verlassen hatte. Ich nehme dasselbe an, was auch sie aussagt; aber ich nehme es nicht an, weil ich muss, sondern ich glaube es, weil ich will.”

Freiheit ist Hingabe an einen Prozess der Bewegung, die der Geist seiner Natur nach zu nehmen hat. Dieser Imperativ heißt doch zugleich Freiheit, weil so die eigentliche Bestimmung -eben der Freiheit – zur Verwirklichung kommt. Die Freiheit zur gegenläufigen Bewegung ist nur eine vermeintliche, denn sie kann eben nicht in der Freiheit enden. Praktisch aber heißt dies Durchwirkung und Übersteigung, dem eigenen Wesen gemäß in der Welt und dabei in Ausrichtung zur wachsenden Welt (denn Welt selbst ist Schaffung der Seele). Seele indes soll sich selbst gewahr werden. Gerade in der tantrischen Philosophie werden beide Bereiche – Seele und Welt – ineinander betrachtet: Seele und Welt bedingen sich und mit der Änderung der Seele ändert sich ihr Außen (die Welt, individuell und kollektiv).
“Der Tantrismus ist eine Erkenntnislehre, die auf der Untrennbarkeit des Relativen und des Absoluten basiert. Der Tantrismus betont die Identität von absoluter und phänomenaler Welt. Das Ziel des Tantrismus ist die Einswerdung mit dem Absoluten und das Erkennen der höchsten Wirklichkeit. Da angenommen wird, dass diese Wirklichkeit energetischer Natur ist und Mikrokosmos und Makrokosmos verwoben sind, führt der Tantrismus äußere Handlungen als Spiegel innerpsychischer Zustände aus. Da Geist und Materie als nicht vollständig geschieden angesehen werden, ist der hinduistische Tantrismus diesseitsbejahend und benutzt psycho-experimentelle Techniken der Selbstverwirklichung und Erfahrung der Welt und des Lebens, deren Elemente als positive Dimensionen erfahren werden sollen, in denen sich das Absolute offenbart.”
Insofern liegt gerade in der Annahme der eigenen Bestimmung ein Impetus zur Erweiterung und Nicht-Ausschließlichkeit zur Weltkausalität als äußerer Entwicklung einer Sicht, die physikalisch, psychisch und moralisch zu konvergieren hat und so jenes erwirkt, was totale Gegenwärtigkeit erst ausmacht, nämlich echte Einheit.

Neigung der Seele

Fichte sagt: “Aber was ich selbst sein solle in dieser Harmonie der Geister, muss ich wissen, denn nur ich selbst kann mich dazu machen, und es wird mir unmittelbar offenbar durch eine Stimme, die aus jener Welt zu mir herübertönt. So stehe ich mit dem Einen, das da ist, in Verbindung und nehme Teil an seinem Sein. Es ist nichts wahrhaft Reelles, Dauerndes, Unvergängliches an mir als diese beiden Stücke: die Stimme meines Gewissens und mein freier Gehorsam. Durch die erste neigt die geistige Welt sich zu mir herab und umfasst mich als eins ihrer Glieder; durch den zweiten erhebe ich mich selbst in diese Welt, ergreife sie und wirke in ihr. Jener unendliche Wille aber ist der Vermittler zwischen ihr und mir – dies ist das einzige Wahre und Unvergängliche, nach welchem hin meine Seele aus ihrer innersten Tiefe sich bewegt; alles andere ist bloße Erscheinung und schwindet und kehrt in einem neuen Scheine zurück.”

Volkmann-Schluck – neuplatonisch – zur Seele: “Vielheit im Sinne der aus dem Ursprung hervorgegangenen Vielheit, produktive Wirksamkeit ihres Wesens: Lebendigkeit. Sie verdankt die Vielheit nicht einer Beihilfe von außen, durch die an ihr Unterschiede bewirkt würden, sondern der lebendigen Kraft des Sich selbst aus sich selbst Erwirkens, so daß sie das ganze und volle Sein der sich selbst explizierenden Wesensmannigfaltigkeit ist.”

Somit: Fichtes Herabneigen ist eben ein Neigen der Seele selbst aus höherer Warte (die zur Bezeichnung ‘Geist’ überleitet), sein Erheben indes meint, aus der Gefallenheit des Ich eben dieser eigentlichen Verortung zur Handlungsfähigkeit bewußt zu werden und diese unermessliche Kompetenz aktiv zu gestalten.

Entbildlichen

Meister Eckhart sagt: “Wenn immer nun die Seele mit dieser Kraft Bildhaftes schaut – ob sie nun eines Engels Bild oder ob sie ihr eigenes Bild schaut – , so ist dies an ihr etwas Unzulängliches. Selbst wenn sie Gott schaut, so, wie er Gott oder wie er Bildhaftes oder Dreiheit ist, so ist es an ihr etwas Unzulängliches. Wenn aber alle ‘Bilder’ der Seele abgeschieden werden und sie nur mehr das schlechthin einige Eine schaut, dann findet das reine Sein der Seele erleidend (= passiv) in sich selbst ruhend das reine, formenfreie Sein göttlicher Einheit, das ein überseiendes Sein ist. O, Wunder über Wunder, welch edles Erleiden ist es, wenn das Ein der Seele nichts anderes ertragen kann als einzig die reine Einheit Gottes!”

Assoziativ mit der Rede vom Bildlichen und der Entbildung zur Kunst: Es gibt eine affirmative Form der Darstellung, die das Diesseits zum Topos der ständigen Betrachtung wählt, und – freilich besonders – im bewegten Bild (der Handlung) keinen Raum läßt für Imagination und außerräumliche Assoziation. Die außerräumliche (unbewußte) oder unbenannte Assoziation aber führt allein zum Höheren. In Eckharts der buddhistischen Lehre gleichenden -radikalen – Hypostasenfeindlichkeit fände auch sie indes keinen Gefallen. Doch meint ein Reich der Götter, ein Ideenhimmel, die Sphäre geistiger (feinstofflicher) Vielheit allemal eine unerhörte Steigerung zum raumzeitlichen Dasein, und die Evolution der Seele kann und soll in ihrer natürlichen Entwicklung diese Wege nehmen. So kann sich auch das Leben selbst allein als Produkt eines gestalterischen Willens auffassen lassen: Transzendenz ist hier aber nicht Nichtung oder Auflösung der Form, der Handlung, der Intention. “Zuletzt ist das Eine kein Nichts, sondern Fülle. Das Nichts bedeutet nicht Nichtigkeit, sondern als Nichtsein aller eidetischen Bestimmtheit eine alles Seiende an Seinsrang überragende Weise zu sein.” (Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus)

In der Welt?

Meister Eckhart sagt: “Nun ist aber eine gewisse Wahrheit, wenn ich sage, daß alles Gut, ja die gesamte Schöpfung gegen Gott weniger ist als eine Bohne gegen diese ganze körperliche Welt. Darum müßte ich es mit Recht verschmähen, wenn ich ein guter, weiser Mensch wäre, Gott bitten zu wollen, daß ich gesund würde.”

Hieraus kann man etwas wie eine quasi-gnostische Weltverachtung lesen, denn so wird eine vehemente Relativierung der geschaffenen Welt verdeutlicht, alle Erscheinung, auch die eigene, ist im Verhältnis zum Göttlichen so reduziert, daß sie kaum Beachtung verdient, mehr noch -das eigene Wohl in der Welt scheint sinnlos, verschmähenswert. Meint dies aber nicht auch der christlich-dogmatische Topos schlechthin: Weltüberwindung, auch wenn sich der Christ geschichtlich ganz anders eingerichtet hat? “… als die katholische Kirche sich gegen die Gnosis bildete und behauptete, als sie mit Hilfe Konstantins die Welt als eine Aufgabe begriff, anstatt sie aufzugeben” (A. Borst)? Eine antagonistische Aussage tätigt z. B. Nietzsche: “Für das Tun des Seligen ist das Charakteristische: er geht an der Welt vorüber, oder er geht unbetroffen durch die Welt hindurch. (K. Jaspers) “Die Seligkeit ist die einzige Realität, der Rest ist Zeichen, um von ihr zu reden.” Was Nietzsche aber als verwerflichen Entwurf der Realität von sich weist, hat zuletzt konkrete ontologische Grundierungen, von denen er nichts wissen wollte und gar konnte. Gesundung – man weiß, daß ihre weltliche Form nur Aufschub heißen kann – ist nur in der Überwindung der Welt möglich. Gesundung ist die Emanzipation vom Leib, somit der Tod unter Vermeidung jeder weiteren Reinkarnation.
Meister Eckhart wollte die Welt nicht fliehen, er fand ein sinnvolles Tun des Menschen an dessen angewiesenen Platz. Aber gleichzeitig weiß er um die Nichtigkeit des Bildes, das er qua der Abkunft gleichsam adelt, gleichsam verwirft. In dieser Ambiguität liegt unser ganzes Sein, denn es verweist mehr, als das es wirklich ist. Insofern es verweist, ist es ‘sich heiligend’. Verliert es aber selbst den Verweis, wird es vergeudet und wertlos.

Grund und Fülle

Meister Eckhart sagt: “Hinwiederum gibt es drei Begünstigungen für die Vereinigung Gottes mit der Seele. Die eine: daß die Seele einfaltig sei und ungeteilt; denn, soll sie mit Gott vereint sein, so muß sie einfaltig sein, wie Gott einfaltig ist. Die zweite: daß sie oberhalb ihrer selbt weile und oberhalb aller vergänglichen Dinge und an Gott hafte. Die dritte: daß sie von allen körperlichen Dingen geschieden sei und nach der ersten Lauterkeit (= ihrem göttlichen Urgrunde) wirke. Augustinus sagt über die freie Seele: Wenn du mich nicht willst, so will ich dich; wenn ich dich will, so willst du mich nicht. Wenn ich dich jage, so fliehst du mich. Die lauteren Geister laufen in der Wiederkehr einen (und denselben) Lauf hin zu der Reinheit Gottes.”

Die Seele soll sich nicht teilen in die Bildlichkeit, sie soll eigentlich ganz im Grund ihrer Darstellung und Fülle sein, um ihrem Ursprung beizukommen. Hierzu soll sie sich entbildlichen, ent-konkretisieren. Dies heißt aber nicht, sie soll arm oder leer sein, sondern vielmehr soll sie Fülle sein, man könnte sagen: In ihrer Potenz zum Überschwang in sich selber schwelgend. Wie aber läßt sich dies mit dem Leben in der Raumzeitlichkeit (die Bild meint) vereinen? Eben durch die Art, wie die Seele sich gegenüber dem Raumzeitlichen verhält. Indem sie es als Bedingtes erkennt, als Symbol nimmt und das dahinterliegende Prinzip durchdenkt oder erahnt, und indem es in der geistigen Grundhaltung das geteilte Sein überkommt und alles Geteilte oder Subjektivierte als Exemplarisches nimmt. So wird das Leben im Leben transzendiert, so wächst das Leben über sich selbst hinaus – über das Bild in seine Bestimmung – die eben über dem Leben liegt, dieses Leben als ein sogenanntes soll an den rechten Platz gerückt sein, so wird das Leben in gewisser Weise schon im Bild entbildlicht, wird so schon geheiligt im Hier.

Eigenobjektivierung

Schopenhauer sagt: “Noch weniger aber, als die Abstufungen seiner (des Willens) Objektivation ihn selbst unmittelbar treffen, trifft ihn die Vielheit der Erscheinungen auf diesen verschiedenen Stufen, d. i. die Menge der Individuen jeder Form oder der einzelnen Äußerungen jeder Kraft; da diese Vielheit unmittelbar durch Raum und Zeit bedingt ist, in die er selbst nie eingeht. Er offenbart sich ebenso ganz und ebensosehr in einer Eiche wie in Millionen: ihre Zahl, ihre Vervielfältigung in Raum und Zeit hat gar keine Bedeutung in Hinsicht auf ihn, sondern nur in Hinsicht auf die Vielheit der in Raum und Zeit erkennenden und selbst darin vervielfachten und zerstreuten Individuen, deren Vielheit aber selbst wieder auch nur seine Erscheinung, nicht ihn angeht.”

Also ist die Erscheinung gewissermaßen nicht ihm eigen, sondern vielmehr spricht man für die Erscheinung von einer Instanz, die zur Verfügung kommt, den Willen erst zu entäußern, denn Schopenhauer sagt ja selbst, daß der Wille als solcher in Raum und Zeit nie eingeht. Insofern sind die Form und die Vielheit Signa einer Vermittlung, die man als Bekundung (eines Höheren) benennen kann, ohne deren formgebendes Organum gar keine explizierte (bekundende) Existenz vorhanden wäre. Diese Vermittlung ist aber die (nach unten geneigte) Seelenqualität (des Noussphärischen), die ihrem Wunsch nach perzeptioneller Segregation sich selbst gemindert hat um wahrzunehmen und somit Objekte zu bilden, einschließlich eben der Eigenobjektivierung zum wahrnehmenden Subjekt – eben erst zur Befähigung objektivierter Welt(en). In monistischer Betrachtung aber bleibt dies zuletzt selbstredend selbstreferenziell, denn wie Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus sagt: “Das Seiende steht in der Vielheit als Zahl, seit das Viele erwachte. Wann geschah das? Sobald außer dem Einen noch Anderes ist. Das aber ist seit eh und jeh; denn das Eine selbst ist der Überfluß an sich selbst.”

Seele und Eidos

C.G. Jung: “Je größer die Ladung des kollektiven Bewußtseins, desto mehr verliert das Ich seine praktische Bedeutung. Es wird von den Meinungen und Tendenzen des kollektiven Bewußtseins gewissermaßen aufgesogen, und dadurch entsteht der Massenmensch, der stets einem -ismus verfallen ist. Das Ich bewahrt nur eine Selbstständigkeit, wenn es sich nicht mit einem der Gegensätze identifiziert, sondern die Mitte zwischen den Gegensätzen zu halten versteht. Dies ist aber nur dann möglich, wenn es sich nicht nur des einen, sondern auch des anderen bewußt ist. Die Einsicht wird ihm allerdings nicht nur von seinen sozialen und politischen Führern schwer gemacht, sondern auch von seinen religiösen. Alle wollen die Entscheidung für das eine und daher die restlose Identifizierung des Individuums mit einer notwendigerweise einseitigen Wahrheit. Selbst wenn es sich um eine große Wahrheit handeln sollte, so wäre die Identifizierung damit doch etwas wie eine Katastrophe, indem sie nämlich die weitere geistige Entwicklung stillstellt. Anstatt Erkenntnis hat man dann nur noch Überzeugung, und das ist manchmal viel bequemer und darum anziehender.”

Hier offenbart sich C. G. Jungs Denken als gnostisch beeinflusst. Man weiß von ihm über die Fürsprache wie auch über die Kritik an (religiöser) Tradition und Symbolik. Denn dem Symbol ursächlicher (oder wahrer) Offenbarung mußte dem Gehalt nach über die Zeit und Vermittlung (und einen Mißbrauch) ein guter Teil der Bedeutung und Möglichkeit zur Erfassung abhanden kommen, und so soll das Symbol vielmehr in einem teleologisch-progressiven Prozeß als das Motiv wieder- erarbeitet werden, das es einer Ewigkeit nach in seiner vollen Bedeutung immer repräsentiert (hat). Vorzugsweise ist dies ein Verlauf, der das Psychische des Individuums immerwährend hebt, indem es jenes insoweit entwicklungsfähig macht, daß es sich mit dem Ureigensten, was nicht mehr das Individuelle, sondern das Verbindende, Archetypische und letzte Wahre und Ungefundene meint, verbindet.
Und Volkmann-Schluck zum Neuplatonismus: “Das Problem des Verhältnisses von Seele und Eidos verwandelt sich bei Plotin in das Problem des Seins der Seele zu sich selbst, in dessen näherer Ausarbeitung das Verhältnis der Seele zum Nous als dem denkenden Innesein der Eide in die Mitte tritt, und zwar so, daß gegenüber dem Nous, der nicht nur die Eide schaut, sondern sich in den Noeta selbst als denkendes Sein schaut, die Denkweise der Seele als uneigentliches Sein des Geistes erscheint, ihre Denktätigkeit als abbildhafter Nachvollzug des Inneseins des Gedachten im Nous.”
Und dies heißt: Mit dem Denken ist immer auch sein ureigenes Telos gleich mit aufgegeben, sich selbst in die ihm eigene Totalität zurück- und hinaufzuführen. Denken wird hiermit zu gesteigertem (feinstofflichem) Sein.

Vollzug des Unbewußten

C.G. Jung sagt: “Der Archetypus an sich ist ein psychoider Faktor. … Er scheint als solcher nicht bewußtseinsfähig zu sein. Ich wage diese Hypothese, weil alles Archetypische, das vom Bewußtsein wahrgenommen wird, Variationen über ein Grundthema darzustellen scheint. Am eindrücklichsten wird einem dieser Umstand, wenn man die endlosen Varianten des Mandalamotives untersucht.
…so erscheint es mir wahrscheinlich, daß das eigentliche Wesen des Archetypus … transzendent ist… . Überdies ist jede Anschauung eines Archetypus bereits bewußt und darum in unbestimmbarem Maße verschieden von dem, was zur Anschauung Anlaß gegeben hat. Wie schon Lipps betonte, ist das Wesen des Psychischen unbewußt. Alles Bewußte gehört zur Erscheinungswelt, welche, wie uns die moderne Physik belehrt, nicht jene Erklärungen liefert, wie sie die objektive Realität erfordert. Letztere verlangt eine mathematische Schablone, die auf unsichtbaren und unanschaulichen Faktoren beruht. Die Psychologie kann sich der universalen Gültigkeit dieser Tatsache nicht entziehen, um so weniger, als die beobachtende Psyche bereits in die Formulierung einer objektiven Realität einbezogen ist. Ihre Theorie kann allerdings keine mathematischen Formen annehmen, insofern als wir keinen Maßstab zur Messung psychischer Quantitäten besitzen. Wir sind ausschließlich auf Qualitäten, das heißt auf gestalthafte Anschaulichkeiten angewiesen… Was immer wir von Archetypen aussagen, sind Veranschaulichungen oder Konkretisierungen, die dem Bewußtsein angehören. Aber anders können wir von Archetypen gar nicht reden. Man muß sich stets bewußt bleiben, daß das, was wir mit ‘Archetypus’ meinen, an sich unanschaulich ist, aber Wirkungen hat, welche Veranschaulichungen, nämlich die archetypische Vorstellungen, ermöglichen.”

‘Dem Bewußtsein angehören’: Dies in der rationalen Betrachtung des Dargestellten – das aber ein Sich – Darstellendes ist- , die Herstellung selbst ist noch gründend im Vorgang (sic) und Vollzug des Unbewußten. Sie birgt ursächlich intentionslose und ekstatische, anders gesagt auch magische Aspekte zur Übersetzung. Die Mittel der Umsetzung sind selbstredend raumzeitlicher Art wie die Betrachtung selbst, daher muß sich das Ergebnis in jener uns bekannten Sprache artikulieren, und doch verläßt es den rein weltlichen Kontext, es wird symboli(sti)sch, im besten Sinne, als Repräsentanz transzendenter Entität: Die Betrachtung des Objektivierten weist den Betrachter über die Welt hinaus – dies durch ‘lesbare’ Hinweise auf die Apriorien, die vom Nicht-Sinnlichen künden können und (archetypische) Ahnungen evozieren.

Wikipedia: “Für die … Symbolisten erwies sich einzig das Symbol als ein Ganzes, als ein stil-technisches Element, welches die Ganzheit der künstlerischen Abbildung der Welt gemäß den ästhetischen Idealen ermöglicht. Daher ist das Symbol, obwohl es als subjektiver Eindruck erscheint, als einheitlich bedeutsames Stilmittel anzusehen. Der symbolistische Dichter schafft aus Bruchstücken der realen Welt Symbole, die, neu zusammengesetzt, eine Welt der Schönheit beziehungsweise der ideellen, ästhetischen und oft auch spirituellen Vollkommenheit ergeben sollen.

Wichtig dabei ist, daß ästhetische Wahrheiten nicht direkt beschrieben werden, sondern durch indirekte Stilmittel zu evozieren sind. Der Symbolist verbindet die Elemente seines Werkes nicht auf herkömmliche Art und Weise, indem er Verbindungen zwischen den Worten nur mit Hilfe von Metaphern, Vergleichen und anderen Stilmitteln schafft, sondern indem er eine Art Affinität oder tiefere Verwandtschaft zwischen Dingen und Worten ergründet und sich dadurch seinem Ideal annähern kann.”

Epiphänomen

C.G.Jung sagt: “Der Zeitgeist ist mit den Kategorien der menschlichen Vernunft nicht zu erfassen. Er ist ein ‘penchant’, eine gefühlsmäßige Neigung, die aus unbewußten Gründen mit übermächtiger Suggestion auf alle schwächeren Geister wirkt und sie mitreißt. Anders zu denken, als man heutzutage eben denkt, hat immer den Beigeschmack des Unrechtmäßigen und Störenden, ja es ist sogar etwas wie unanständig, krankhaft oder blasphemisch, darum für den Einzelnen sozial gefährlich. Er schwimmt unsinnigerweise gegen den Strom. Wie es früher selbstverständliche Voraussetzung war, daß alles, was ist, einstmals aus dem Schöpferwillen eines geistigen Gottes geboren wurde, so hat das 19. Jahrhundert die ebenso selbstverständliche Wahrheit entdeckt, daß alles aus materiellen Ursachen hervorgehe. Heute baut sich nicht die Seelenkraft einen Körper auf, sondern umgekehrt, der Stoff erzeugt aus seinem Chemismus eine Seele. Diese Umkehrung wäre zum Lachen, wenn sie nicht eine der großen Wahrheiten des Zeitgeistes wäre. Es ist populär, daher anständig, vernünftig, wissenschaftlich und normal, so zu denken. Der Geist soll als ein Epiphänomen des Stoffes gedacht werden. Auf diesen Schluß läuft alles hinaus, auch wenn man nicht gerade ‘Geist’, sondern ‘Psyche’ sagt, und nicht gerade von ‘Stoff’, sondern von ‘Gehirn’, ‘Hormonen’ oder von ‘Instinkten und Trieben’ spricht. Der Seele eigene Substanz zu geben, ist dem Zeitgeist zuwider, denn das wäre Ketzerei.”

Der Hinduist sagt: Das einzige, was im Zeitalter des Kali Yuga – dem Zeitalter des Verfalls und Verderbens – zu tun und zu bewirken bleibt, ist die Meditation über den Namen Krishna. Sicher ließe sich so zu C.G. Jungs Ausführung eine Brücke schlagen, denn erstes und oberstes Merkmal epochalen Niedergangs muß die Leugnung des Wesens des Seins selber sein, somit eine Geist- (und Seins-) Leugnung fundamentalster Art – und dabei die Hinführung zu einer Existenz im Falschen, im Irrtum. Diese schreitet in der atheistischen, materiellen Variante zu immer neuen Formen, während die auf ihre eigene Art geistleugnende Attitüde der religiösen theistischen Dogmen anhaltenden und unveränderlichen Charakters ist. So ist zuletzt das Zeitgeistige wie Ungeistige nur in der gedachten Vertikale, in der Vergegenwärtigung des immanenten Hohen zu überwinden, der Weltenlauf selbst aber ist in der absteigenden Epoche so sehr in einer negativen Dynamik befangen, daß er aktual und sichtbar keineswegs zum Guten geändert werden könnte.