Fichte, Bestimmung

Das Einige, woran mir gelegen sein kann, ist der Fortgang der Vernunft und Sittlichkeit im Reiche der vernünftigen Wesen; und zwar lediglich um sein selbst, um des Fortgangs willen. Ob ich das Werkzeug bin, oder ein anderer, ob es meine Tat ist, die da gelingt, oder gehindert wird, oder, ob die eines anderen, gilt mir ganz gleich. Ich betrachte mich überall nur als eines der Werkzeuge des Vernunftzwecks, und achte und liebe mich, und nehme Anteil an mir nur als solches, und wünsche das Gelingen meiner Tat nur, in wiefern sie auf diesen Zweck geht. Ich betrachte daher alle Weltbegebenheiten ganz auf die gleiche Weise nur in Rücksicht auf diesen einzigen Zweck; ob sie nun von mir ausgehen, oder von andern, unmittelbar auf mich sich beziehen, oder auf andere. Für Verdruß über persönliche Beleidigungen und Kränkungen, für Erhebung auf persönliches Verdienst ist meine Brust verschlossen; denn meine gesamte Persönlichkeit ist mir schon längst in der Anschauung des Ziels verschwunden und untergegeangen.”
Fichte, (Die Bestimmung des Menschen -Drittes Buch. Glaube )

Hier wäre auch mit einem alten Wort aus den Veden anzuknüpfen: Das Leben selbst ist als ein Opfer an das höhere Prinzip zu verstehen.  Von der Warte der eigentlichen Seelenabkunft  besteht dies ja bereits darin, der eigenen Minderung in der Raumzeitlichkeit gegenwärtig zu sein und im Bewußtsein dieser Minderung fortzufahren. Und in Anbetracht der weltlichen Prämissen -der kollektiven Minderung- muß es schon daher ein dissidentes Verhältnis sein, daß man zur Welt einnimmt – so etwas wie eine Reue über die Geburt, ein generelles Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit zu Allem. Würde man die Mehrheit der Menschen nach ihrem Ziel befragen: es wäre die eigene Zufriedenheit-keineswegs mag sie den Unruhezustand  teilen, der mit dem Gefühl des genannten Verlustes einhergehend  um Komplettierung bemüht wäre, die eben eine gewisse Welt-Verneinung  und einen Wunsch zur  Welt-Übersteigung implizieren müsste. Somit begründet sich der Dissens derer, die streben, eben zu dieser Mehrheit – und ebenso zu den von ihr hervorgebrachten Verhältnissen. Und fast überflüssig an dieser Stelle zu sagen, daß dies auch neuplatonisch ist: Der Aufstieg hinauf zurück durch die Emanationen -der Auszug des Selbst aus der Minderung- ist erster und letzter Lebenssinn . Betrachtet man die Biographien der Erleuchteten, geben ja gerade  sie hierzu ein höchst anschauliches Beispiel. Es wäre nun falsch gedacht, ginge man davon aus, daß dieser Weg den Besonderen der Menschen vorbehalten wäre,  denn  jedem  ist prinzipiell diese gleiche Wegstrecke  aufgetragen. Verläuft sie über Generationen und Inkarnationen, erkennt man für ein Einzelleben eine recht ruhige Lebenskurve,  in Gänze, von oben betrachtet, beschreibt   auch diese zuletzt  den vollständigen Gang der Läuterung und Überwindung  des irrtümlichen, geminderten Lebens zum eigentlichen.