“Die bösen Engel. so der Kirchenlehrer (Augustinus) sind zwar gut geschaffen worden und deshalb böse aus freiem Antrieb. Doch bei dem Versuch, den Abfall vom Guten zu erklären, wird bemerkbar, daß die Rede vom ‘freien Antrieb’ bloß eine Hilskonstruktion ist: Die bösen Engel sollen schuldig sein und einst dafür ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können. Aber wieso fielen sie ab, wo doch das Gute ein wunschloses, vollkommen paradiesisches Wohnen bei Gott war?” (Peter Strasser)
Von einem monistischen Standpunkt aus läßt sich dies leicht geraderücken: Es handelt sich eben nur um einen insuffizienten Zustand, um ein ‘bei”! Dieses Auseinanderstehen ist vom ontologischen Standpunkt eines Alleinheitlichen nicht befriedigend, denn das Getrennte will zu sich selbst zurück, will nicht bei etwas sein, will nicht einmal gleich etwas sein sondern will eines sein im EInen. Meister Eckhart sagt:
“Die Schrift sagt, wir sollen Gott gleich werden. Gleich, das ist böse und trügerisch. Gott kann Gleiches ebenso wenig ertragen, so wenig er ertragen kann, daß er nicht Gott sei. Gleichheit ist etwas, was es an Gott nicht gibt; esgibt vielmehr Einssein in der Gottheit und in der Ewigkeit; Gleichheit aber ist nicht Eins. Wäre ich EIns, so wäre ich nicht gleich. Es gibt nichts Fremdes in der Einheit, es gibt nur Einssein in der Ewigkeit, nicht Gleichsein.” (Meister Eckhart, Predigt 14)
Strasser: “Niemandes Geist, der nicht göttlich wäre, darf sich an die letzten Mysterien des Seins heranwagen und dabei hoffen, er käme ohne Wahnsinn, ohne Zusammenbruch aller Logik davon.”
In seiner Abhandlung über das Böse ‘Die Ontologie des Teufels” kehrt Strasser die Auseinandersetzung mit dem Bösen als etwas hervor, was uns prinzipiell die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit aufzeigt. Das Böse bleibt bei ihm den letzten Erklärungsmöglichkeiten enthoben und somit metaphysisch verortet. Die Betroffenheit (über besondere Menschheitsverbrechen, insbesondere des Nationalsozialismus) führt ihn dabei zum Begriff des Radikalbösen. Hier aber tauchen bereits einige Fragen bezüglich des Bösen -im Sinne eines zwischenmenschlichen Vollzuges – auf: Welches Böse wäre also dann dem Radikalbösen nur nachgeordnet böse, und wer vor allem kann hierfür allgemeingültige, objektivierbare Maßstäbe anlegen? Die Art der persönlichen Betroffenheit kann dies sicher nicht. Soll es zur Bemessung auf einer Skala des Bösen um Quantität oder um Qualität gehen? Schlägt Quantität ab einem Punkt in Qualität um? Ist vielmehr die Intention, das Ziel ausschlaggebend? Oder die innere Haltung zu und bei einer Tat? – oder bei einer Unterlassung? Man könnte beispielsweise auch behaupten (während das Gute in aller Regel einfach dem Guten diene) daß das Böse dem Bösen, aber darüberhinaus eben auch dem Guten dienen könnte. Worauf aber die Fragen anzuschließen wären, welcher Telos als Grund dieser Behauptung anzusetzen wäre und ob überhaupt dieser beste Zweck irgendein Mittel zu heiligen imstande sein kann oder darf. Sind in diesem Kontext Einzelhandlungen auch in kollektive Handlungen oder Intentionen und Haltungen übersetzbar und moralisch gleich zu werten? (Im weiteren der Untersuchung: Was ist eigentlich moralisch?)
Das Böse -um hier also falsche oder mehrdeutige Zuweisungen zu vermeiden und dem ganzen ein grundsätzliches Fundament zu verleihen – ist im ersten Prinzip vor allem etwas genuin im Menschen zur Möglichkeit Kommendes, da es innerhalb eines Vollzugs erscheinen muß, der sich vom instinktgetriebenen Tierreich durch Vernunft, Geist und Bewußtheit abhebt. Dies ist nun kein Hinweis zu einer anti-metaphysische Verortung, denn die erste Natur des Menschen ist schließlich metaphysisch. Es braucht hier aber keinen Teufel, keinen Dämon, denn der Mensch selber -als metaphysische Instanz in seinem höheren Wesen- schafft den bzw. die Archonten in seinem kollektiven Seelen-Sein. Im bewußten Vollzug einer als schädigend erkannten Handlung vollzieht sich dann der Schritt hin zu dem, das man eigentlich erst als böse benennt- in qualitativer Absetzung zu einer intuitiv-instinktgeladenen Handlung aus vitalistischen (biologischen) Interessen (wie das Beutemachen imTierreich ). Die Kultivierung dann, die bewußte Ausführung und Zelebrierung der bösen Tat, die Lust und Freude am Schmerz und am Niedergang des anderen hebt die schädigende Handlung dann endgültig zu einer (dem Menschen vorbehaltenen) Qualität, die förmlich auf Erklärungen deutet, die außerhalb des natürlichen (weltlichen) Vollzuges und Nutzens zu liegen scheinen.
Ganz allgemein -um die Genese eines solchen Bösen zu erhellen- kann man also wohl nur sagen: das Böse liegt in der Handlungsbreite der Vollzugsmöglichkeit des Geistigen -und scheint dort eine Anlage zu haben- , und immer handelt es sich um einen schädigenden Vollzug, der – bewußt- gegen ein elementares Vitalinteresse -gegen eine Integrität- gerichtet ist und so im Geschädigten ein entsprechendes Leid erzeugen muß,
Das Böse in seinem eigentlichen Wesen -da nur unter Annahme eines hierzu nötigen geistigen Vermögens , einer Möglichkeit zur Überhebung über den blinden Trieb der Natur herleitbar, muß in der Tat seiner Herkunft nach außerhalb dieser liegen.