Erbsünde

Aus Georg Denzler: “2000 Jahre kirchliche Sexualmoral”:
“Augustinus ‘ Erbsünde:
Die Frau übertrage beim Geschlechtsakt die Erbsünde mit der Folge, daß jeder von ihr geborene Mensch mit diesem Urmakel behaftet in die Welt komme. Nur bei Maria ließ er eine Ausnahme gelten…”
Thomas von Aquin: “Der erste Mensch übertrug auch die Erbschuld, indem er die Natur übertrug, was durch die tätige Kraft des männlichen Samens geschieht.”
Dabei aber ist es nicht eine Frage von Geschlecht, Aktivität oder Empfängnis und  gar nicht die Sache einer moralischen Kategorie, vielmehr handelt es sich hier schlicht um die mangelhafte Biologie des Menschen -die Schuldfrage hierüber muß hier nicht erörtert sein-, die den Mensch durch ein Wahrnehmungs-bzw. Bewußtseinssdefizit seinem eigentlichen Sein enthebt und ihn (in und durch seine Wahrnehmung) zur mangelhaften Entitität, zum “Gefallenen”, eben erst zum Menschen macht. Diesen Mangel -oder eher einer Ahnung über das Gefallen-Sein- gewahr zu werden und nach seiner Auflösung zu streben, ist jeher religiöser Telos. Die Abneigung gegen das Körperliche als sichtbares Verharren  im Anti-Transzendenten rührt also sichtlich daher. Die Deklarierung des  verantwortlichen Sexus als Unmoral, die Koppelung des Triebes an  Schuld, als etwas, “das man nicht tut”, mag ein geeignetes Mittel sein, nachhaltig  ein Verdikt auf dies Körperliche zu legen, um (idealerweise) eine gegenläufige Richtung vorzugeben -allerdings enthob sich diese Prämisse alsbald  vom eigentlichen Grund -spiegelte eher die Irritation und Scham angesichts eines übermächtigen Triebes wieder und wurde sodann zu nicht mehr als einer Restriktion aufgrund einer  unreflektierten (psychologischen, angstbesetzten) Agenda. Nicht Keuschheit und Gnade, sondern Durchdringung und Aufstieg sind aber Zweck in Hinsicht  auf eine universal angelegte  Entwicklungsrichtung, die Generation um Generation nach vorne zu bringen hat, um (und das wissen wir nicht erst seit Schopenhauer), schließlich  über sich selbst  – sprich über die eigene  Herkunft zu Bewußtsein zu kommen. Hierfür  kann eine Körperrestriktion und die Konzeption der vererbbaren Schuld nicht förderlich sein, da so die stufenweise Entwicklung und Erlösung der Selbstexplikation und die Überwindung ihrer ersten Verursachung nicht in natürlichem bzw. gebotenem Maße vollziehbar wäre.