Das Selber-Empfangen

Meister Eckhart sagt: “Darum kann das naturhafte Erkennen niemals so edel sein, daß es Gott berühre oder unmittelbar erfasse, wenn die Seele nicht diese sechs Stücke an sich hat, von denen ich gesprochen habe: Das erste: daß man tot sei für alle Ungleichheit. Das zweite: daß man recht geläutert sei in dem (göttlichen) Licht und in der Gnade. Das dritte: daß man ohne Mittel sei. Das vierte: daß man im Innersten auf Gottes Wort horche. Das fünfte: daß man sich unter das göttliche Licht beuge. Das sechste ist das, was ein heidnischer Meister sagt: Das ist Seligkeit, daß man nach der obersten Kraft der Seele lebe; die soll beständig emporstreben und in Gott ihre Seligkeit empfangen. Wo der Sohn selber empfängt, im ersten Ausbruch, dort sollen auch wir in Gottes Höchstem empfangen; dann (aber) müssen auch wir unser Höchstes jenem gleichmäßig entgegenhalten.”

Dieses Selber-Empfangen, das ist das, was ich hier mit Eckharts Wendung verstehe, man solle “ohne Mittel” sein. Es meint: Ohne Vermittlung und ohne Übersetzung oder Stütze. Man soll sich seines Innersten bewußt dem Wesen selbst bekennen, das alles (Selbst) ausmacht und alles ist und darstellt. Hierin besteht die Läuterung: Die Befreiung von allen gedanklichen Konzepten und entsprechend materieller und habitueller Verwirklichungen, die diesem Wesen der Einheit entgegenstehen.
Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Das Denken muß sich darauf besinnen, daß auch unser Leben und Denken nicht nur im leiblichen seinen Aufenthalt hat, sondern auch sich selbst zu gehören vermag und daß vollends das in diesem Denken erblickte wahrhafte Sein, von allem Leiblichen frei, sich selbst die Grundlage ist, auf welcher es wandelt.”

Sich selbst gehörend von allem Leib befreit: Dies meint die überstoffliche Apriorie, die unser eigentliches Sein bedeutet, die – nach Eckhart – ihrer Göttlichkeit bewußt werdend das Eine zurückbringt in seinen Ursprung vor dem Ausgang.