Dynamischer Atomismus

Wladimir Solowjew: “Die kritische Philosophie lieferte den unanfechtbaren Nachweis, daß Ausdehnung oder Raum eine Form des Vorstellens oder des Seins für andere, keineswegs aber eine selbsständige Realität sei. Also kann die Materie als solche oder das wahre Substrat der Dinge nicht in der Ausdehnung bestehen oder nur vorgestellt sein, sondern sie muß auch ein Sein an sich und für sich haben, das heißt, belebte und beseelte Natur sein.
Zu dieser Auffassung führt andererseits auch die Entwicklung des dynamischen Atomismus, der heute unter den denkenden Physikern herrscht. Der innere Widerspruch im Begriff des stofflichen Atoms als eines unteilbaren Körpers und einer beziehunglosen Masse veranlaßt die Physiker, unter Atomen nur Zentren von wechselwirkenden, abstoßenden und anziehenden Kräften zu verstehen. Allein weder die eigentliche Eigenschaft von solchen Kräften, noch die Einheit und verbundene Ganzheit des Weltenbaus gestatten, diese dynamischen Wechselwirkungszentren als unbedingt getrennte und eigenständige Wesen in der Art von leibnizischen Monaden zu denken; im Gegenteil, alles zwingt uns, in ihrem realen Dasein nur eine relative Differenzierung oder einen Zerfall der einen universalen Wesenheit oder der Weltseele zu erblicken.”

Und der Begriff des dynamischen Atomismus bei Schelling – nun lange vor der Quantenmechanik postuliert: Ab Planck nähert diese hypothetische Vorwegnahme sich wissenschaftlicher Evidenz.
“Der Grundgedanke des dynamischen Atomismus ergibt sich für Schelling aus der Widerlegung des mechanistischen Atomismus. Er erkennt, daß die Endlichkeit der mechanischen Teilbarkeit, die von den Korpuskolarphilosophen behauptet wird,eine unbegründete und falsche Annahme ist: ‘Denn in jedem materiellen Raum muß wie in dem mathematischen kein Teil der absolut kleinste sein. Was im Raum ist, ist immer mechanisch oder chemisch zerstörbar.’ Die letzten konstitutiven Einheiten der Materie sind daher selbst keine räumlichen Materieteilchen, sondern einfache Faktoren, d. h. ursprüngliche Aktionen oder Aktivitäten, die als solche jedoch nicht existieren, sondern bloß als ideelle Erklärungsmodelle gedacht werden müssen. Auf Grundlage dieses dynamischen Atomismus kommt Schelling notwendig zu der Auffassung der Natur als reiner Produktivität (natura naturans) … der dynamische Atomismus ist dabei die Grundlage für die Kontinuität in der ganzen Natur, die damit gleichsam mit einem Schlag erklärt werden kann.” (Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Netzquelle)