Angleichung der Seele

Plotin: ” …’wir’ aber stehen, von Gott an gerechnet, an dritter Stelle, gebildet, wie geschrieben steht, ‘aus der unteilbaren’, der oberen, ‘und der sich an den Körpern zerteilenden’ Wesenheit; ‘an den Körpern sich zerteilend’ muß man sie sich insofern denken, als sie sich der körperlichen Masse dargibt soweit, als je die Fassungskraft des einzelnen Lebewesens reicht, denn sie gibt sich auch dem gesamten All dar, obgleich sie Eins ist; oder auch insofern, als sie erscheint als den Körpern beiwohnend, weil sie in die Körper hineinstrahlt und sie zu Lebewesen macht, nicht aus ihr selber und dem Körper, sondern sie selber verharrt und gibt nur Abbilder von sich her, so wie ein Antlitz in vielen Spiegeln widerscheint. Und zwar ist ihr erstes Abbild die Wahrnehmung, die im Gesamtwesen stattfindet; und von dieser angefangen dann alle weiteren sogenannten Seelenarten, immer die nächte ausgehend von der vorhergehenden, und schließlich endet dieser Prozeß bei der zeugenden und der schöpferischen Seelenart, bei der Wachstums-, und allgemein bei der Schöpferkraft eines anderen neben der hervorbringenden Seele, wobei sich dann die hervorbringende Seele zu dem Geschöpf hinkehrt.”

Die Fassungskraft der individuierten Seele kann nur wachsen in der Wesensangleichung (zum Einen). Meister Eckhart sagt: “Wenn der Leib bereitet ist, gießt Gott die Seele hinein und bildet sie dem Leib gemäß und sie hat Gleichheit mit ihm und durch diese Gleichheit Liebe.”
“Dem Leib gemäß” heißt, das Seelische ist der Auffassungsfähigkeit der leiblichen Form angepaßt. Sie hat Gleichheit mit dem Leib, insofern sie dessen Fassungskraft gemäß dort reduziert residiert, sie hat aber Gleichheit mit ‘Gott’ in ihrem wahren Wesen, in ihrer prä-leiblichen Existenz. Sie muß sich daher über den Leib erheben und erst so wahres Gefäß werden können.
Die Entleiblichung oder Änderung der Physiologie verleiht erst die Möglichkeit, wahrhaft zu sehen und somit Einblick in die eigentlich wesenhafte Existenz zu erlangen. ‘Gefäß sein’ heißt dann, die Fassungskraft durch Angleichung in der Art zu steigern, daß man keine Begrenzung mehr erfährt , da man schlicht kein Begrenztes, kein Körperhaftes mehr ist. So wird der Mensch Medium der (einzigen) Energetik , die schließlich zu sich selber kommen muß.