Drei Wege

Meister Eckhart sagt: “Ich und du, einmal umfangen von ewigem Licht, das ist eines, und dieses Zwei-Eine ist ein brennender Geist, der da über allen Dingen und (doch noch) unter Gott am ‘Umkreis der Ewigkeit’ steht. Der ist Zwei, weil er Gott nicht ohne Vermittelndes sieht. Sein Erkennen und sein Sein oder sein Erkennen und das Erkenntnisbild, die werden bei ihm niemals zu Einem. Nur da sieht man Gott, wo Gott geistig gesehen wird, gänzlich bildlos . (Da) wird Eins Zwei, Zwei ist Eins, Licht und Geist, die Zwei sind Eins im Umfangensein vom ewigen Licht.
Nun gib acht, was der ‘Umkreis der Ewigkeit’ sei. Die Seele hat drei Wege zu Gott. Der eine ist dies: mit mannigfaltigem Wirkem mit brennender Liebe in allen Kreaturen Gott zu suchen. …
Der zweite Weg ist ein wegloser Weg, frei und doch gebunden, wo man willen- und bildlos über sich und alle Dinge weit erhaben und entrückt ist, wiewohl es doch noch keinen wesenhaften Bestand hat. …
Der dritte Weg heißt (zwar) ‘Weg’ und ist doch ein ‘Zuhause-Sein’, das ist: Gott zu schauen,unvermittelt in seinem eigenen Sein.”

Hier wird Eckhart zum Mystagoge: Die drei erwähnten Wege bilden dabei keinen Widerspruch. Allen liegt die absolute Immanenz des Transzendenten zugrunde. Der Weg der Caritas impliziert nämlich, daß alles in der göttlichen Ordnung und Verbundenheit sei, und hierdurch evolviert die Liebe zum einzelnen Geschöpf, Eckhart bezeichnet dies nun als Suche, man kann hierbei sagen, daß diese Suche eher ein Durchstoß im Anderen zur All-Verbundenheit als All-Seele bedeutet – das kirchliche Dogma indes muß hier versagen – was meint: eigentlich ist dieser Impetus aus sich selbst -und so aus allem zu allem – bereits schon da, und diese ‘Suche’ im Anderen ist vielmehr eine Findung, ist Resultat und Zwangsläufigkeit dieser Verortung in der Seelen-Verbundenheit (der All-Seele). Hier auch die Grundlegung aller Emphatie, die sozusagen ein Seelen-Automatismus ist und also nicht auf diskursiven Erwägungen beruhen kann.
Der zweite Weg zeigt nur eine praktische begonnene Seite des dritten auf, nämlich eine bewußt betriebene Entbildlichung und Entrückung im Hier zum Zwecke der Erhöhung, während der dritte Weg den erhabenen Zustand als solchen als eine Erleuchtung meint, die aber eben als Möglichkeit und Ziel in den ersten beiden Wegen zwingend inbegriffen ist.