Konstrukt und Apriorie

Von konstruktivistischer Warte: Die Welt ist durch Wahrnehmung dem Menschen bildhaft konstituiert (bzw. wird ‘Welt’ von ihrer apriorischen Grunddisposition her so zum uns Vertrauten, zu subjektiver Anschauung reduziert, diese Konstruktion ist ja vielmehr eine Reduktion) –  dies ist nicht weniger als  empirisch oder wissenschaftlich evident. Wahrnehmung differiert dabei von Art zu Art. (Dies allein der Nachweis der  Relativität des Wahrgenommenen.) Und dies wirft die Frage nach der gültigen, eben absoluten  Ansicht – dann: nach dem Wesen des Objektes als solchem – auf, denn jenes  kann ja zuletzt nur durch die Summe aller Wahrnehmung und aller nur erdenklichen Blickwinkel wesenhaft beschrieben sein. Insofern sind der Mensch, der Körper, somit seine Sinnesorgane aber ebenfalls ‘sekundärer Art’, weil durch Wahrnehmung konstituiert. Wie aber kann das, was  in diesem  Radius konstituiert ist, gleichzeitig der Grund für eben das sein, was eben jene Konstitution hervorbringt? Um diesen Zirkelschluß zu vermeiden, muß man einen Schritt über diesen Kreis hinausgehen. Nur eine Seinsdisposition, die oberhalb diesem liegt, wäre also zu einer  raumzeitlichen Verbildlichung, deren Ursächlickeit ja vor den Sinnen liegen muß,  imstande. Da nun der eingehende Satz einen nicht hintergehbaren Sachverhalt enthält, muß sich demnach auch die Proklamation einer  -wie auch immer gearteten – höheren  schöpferischen  Kausaliät  als schlicht evident erschließen lassen, selbst wenn diese bisher außerhalb der gängigen Wissenschaften lokalisiert ist. Wie alt die Frage als solche ist, sei im folgenden kurz gestreift:
Für das indische Samkhya-System  Richard Garbe: “…findet nach der Samkhya-Lehre die Weltentfaltung in der Weise statt, daß aus der Urmaterie zuerst die Buddhi (Vernunft, Geist, Intellekt), aus dieser der Ahamkara, aus diesem die Sinnesorgane und die Grundstoffe, und aus den letzeren die groben Elemente hervorgehen.” Hier wird also von feinstofflichen, apriorischen Instanzen und entsprechenden (höheren) Sinnen gesprochen! Die Sinnesorgane sind Hervorbringung aus dem Geist, indem sie  schon im feinstofflichen eine apriorische Existenz als Ursache (der raumzeitlichen Sinnesorgane) haben.
Für den Neuplatonismus stellt sich die Synthese von Schaffendem und Geschaffenem  wie bei Plotin folgend dar: “Der Geist aber enthält den Grund, weswegen jedes Einzelne in ihm genau SO ist; und was die Gegenstände in ihm ihrerseits angeht, so ist jedes Einzelne in ihm er selbst, und somit ist es auf keinen weiteren Grund angewiesen, weswegen es entstanden ist, sondern es ist entstanden und hat zugleich damit in sich selber die Ursache seiner Existenz.”
Und aber (!): “Ehe sich aus der groben Materie die Leiber der beseelten Wesen entwickelt haben, sind bereits die feinen Substanzen vorhanden gewesen, aus denen die inneren Organe der Wesen bestehen.” 
Richard Garbe: “Die Samkhya-Philosophie lehrt, daß die Objekte der Wahrnehmung und Empfindung und die Organe, mit denen wir die Objekte wahrnehmen und empfinden, denselben Ursprung haben. Dasjenige Prinzip also, aus dem die Sinne entstanden sind, muß zugleich die Quelle der feinen Elemente sein.” 
Nietzsche sagt hingegen in ‘Jenseits von Gut und Böse’ folgendes: “Um Physiologie mit gutem Gewissen zu treiben, muß man darauf halten, daß die Sinnesorgane nicht Erscheinungen sind im Sinne der idealistischen Philosophie: als solche könnten sie ja keine Ursache sein! Sensualismus mindestens somit als regulative Hypothese, um nicht zu sagen als heuristisches Prinzip – Wie? und andere sagen gar, die Außenwelt wäre das Werk unserer Organe? Aber dann wäre ja unser Leib, als ein Stück dieser Außenwelt, das Werk unserer Organe! Aber dann wären ja unsere Organe selbst – das Werk unserer Organe! Dies ist, wie mir scheint, eine gründliche reductio ad absurdum: gesetzt, daß der Begriff causa sui etwas gründlich Absurdes ist. Folglich ist die Außenwelt nicht das Werk unserer Organe – ?” Die Aussage von Carl Friedrich von Weizsäcker, der in Bezug auf die Erkenntnisse der Quantenphysik konstatierte, Raum und Zeit seien nicht apriorisch, ist für Nietzsche noch fremdes Land. Er erkennt in der platonischen bzw. idealistischen Diesseitsleugnung nur reine Spekulation, intellektuellen oder lebenspraktischen Eskapismus oder vor allem eine Schwäche der Christen, schließlich schlicht priesterliche Willkür. In seinem Todesjahr erst beginnt Max Planck mit der Formulierung der Quantentheorie.