Zum Verhältnis von Seele und Eidos

“Aschtavakra sprach:
Von nirgendwoher tastet’s dich an.
Was verlangst du Reiner abzustreifen?
Zerschmilz die Vielheit der Welt, –
So geh zum Verschmelzen.
Aus dir steigt alles auf wie Blasen aus der See:
So erkenne dein Wesen als alleinsam, –
So geh zum Verschmelzen.
Leid und Lust sind dir gleich: du bist der Ganze.
Gleich in Hoffnung und Hoffnungslosigkeit;
Gleich sind dir Tod und Leben, – So geh zum Verschmelzen.”
(Aschtavakragita, Fünfter Gesang)

Für den Neuplatonismus: “Das Problem des Verhältnisses von Seele und Eidos verwandelt sich bei Plotin in das Problem des Seins der Seele zu sich selbst, in dessen näherer Ausarbeitung das Verhältnis der Seele zum Nous als dem denkenden Innesein der Eide in die Mitte tritt, und zwar so, daß gegenüber dem Nous, der nicht nur die Eide schaut, sondern sich in den Noeta selbst als denkenden Geist schaut, die Denkweise der Seele als uneigentliches Sein des Geistes erscheint, ihre Denktätigkeit als abbildhafter Nachvollzug des Inneseins des Gedachten des Nous. Die zentrale Frage der Reflexivität der Seele, unter die bei Plotin die Problematik von Eidos und Seele rückt, führt so zu einer Uminterpretation und Neudeutung der Denkweise des Nous, dessen Seinssinn für die attische Philosophie in dem Geöffnetsein für das sich zeigende Seiende lag: Für Plotin ist er das Denken, das zwar das Eine intendiert, aber das Begriffene zur Vielheit gedachter Unterschiede werden läßt und so selbst zum Sein des Vielen wird. Wenn die Selbstanschauung im Noeton (Intelligiblen) zu einem Sich-selbst-auslegen des Denkenden im Gedachten wird, dann gibt es für die Seele über die Selbstanschauung ihrer Gehalte im Nous hinaus eine höhere Stufe der Rückwendung in das Innere, eine Erfahrung ihrer selbst, die allem Sichauslegen in eine unterschiedene Vielheit vorausliegt. Auf dieser Stufe des In-sich-zurück-gehens wird das Sein selbst vor der Entfaltung im Denkgebilde durch den Nous erfahren.” (Volkmann Schluck)

C.G.Jung: “Nur ein Leben, das in einem gewissen Geiste gelebt wird, ist lebenswert. Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß ein Leben, das bloß aus dem Ich gelebt wird, in der Regel nicht nur auf den Betreffenden selbst, sondern auch auf die Zuschauer als dumpf wirkt. Die Fülle des Lebens erfordert mehr als bloß ein Ich; sie bedarf eines Geistes, das heißt eines unabhängigen und übergeordneten Komplexes, der offenbar allein imstande ist, alle jene seelischen Möglichkeiten, die das Ichbewußtsein nicht erreichen kann, in lebendige Erscheinung zu rufen.
… Das Leben ist ein Kriterium der Wahrheit des Geistes, ein Geist, der den Menschen über alle Lebensmöglichkeit hinausreißt und nur Erfüllung in sich selber sucht, ist ein Irrgeist – nicht ohne die Schuld des Menschen, der es in der Hand hat, sich selbst aufzugeben oder nicht.”