Nietzsche: “Summa: Die Herrschaft über die Leidenschaften, nicht deren Schwächung oder Ausrottung! — Je größer die Herrenkraft des Willens ist, um so viel mehr Freiheit darf den Leidenschaften gegeben werden. Der ‘große Mensch’ ist groß durch den Freiheits-Spielraum seiner Begierden und durch die noch größere Macht, welche diese prachtvollen Untiere in Dienst zu nehmen weiß.”
Freilich ist dieser Gedanke der Dienstbarmachung im Hinduismus längst ausgesprochen. So kennt beispielsweise das Aurveda Praktiken, die libidinöse Energie akkumulieren und lenken sollen, die Leidenschaften, die für sich selbst betrachtet als überwindenswert besehen werden, dabei nutzen und anschirren, um sie konkret von den niederen zu den höheren Energiezentren (Chakren) zu transportieren und zu transformieren. Die sexuelle Energie ist gerade Punkt der Anknüpfung für energetische Konzepte aufgrund ihrer unmittelbaren, einfachen Verfügbarkeit und Erfahrbarkeit.
Indes Nietzsche steht mitunter im Verdacht, der Leidenschaft selber das Wort zu reden, im Sinne eines Endzwecklichen, während der innere Charakter der Leidenschaft als Ausdruck lebensenergetischer Kraft aber als intrinsischer, physiopsychischer Impetus eines höheren, den Körper übersteigenden Willens zu verstehen ist und daher Signum und Symbol eines ‘kosmischen’ und außermenschlichen Strebens darstellt. Dieser prinzipiell tantrische Gedanke, der die Integration und Durchdringung aller veräußerten Prozesse fordert, läßt die Triebe zuletzt hinter sich, tut dies aber daher nicht aus moralischem Impetus, sondern aus der Erfahrung einer höheren integrativen Stufe, die ein energetisches Niveau bezeichnet, das die Ereignisse nur physiologisch konnotierter Triebauslebung bei weitem übersteigt.
In dem Kontext ist die Libido-Definition von C.G. Jung wichtig, die viel weiter gefasst wird als das übliche Verständnis nahelegt: “Unter Libido verstehe ich die psychische Energie. Psychische Energie ist die Intensität des psychischen Vorganges, sein psychologischer Wert. Darunter ist kein Wert moralischer, ästhetischer oder intellektueller Art zu verstehen, sondern der psychologische Wert wird einfach bestimmt nach seiner determinierenden Kraft, die sich in bestimmten psychischen Wirkungen (‘Leistungen’) äußert.’
Diese psychischen Wirkungen und Wirkmächte, sind sie extraordinär, können sich transpersonal fortsetzen, um im ”psychischen eidetischen Fluidum’ zur Wirkung zu kommen.
“Enthusiasmus und Ekstase sind überall die erregenden Mächte.” (Erwin Rohde)
Und in Hinsicht auf die Erklärung synchronistischer Prinzipien C.G.Jung: “Der Erreger erregt.” (Das energetische Feld)