Neue Welt und Kunst


Fichte: “Die neue Welt, welche die höhere Moralität innerhalb der Sinneswelt erschaffe, sei das unmittelbare Leben Gottes selbst in der Zeit; – an sich nur unmittelbar zu erleben; im allgemeinen nur durch das Merkmal, daß jede Gestaltung desselben schlechthin um ihrer selbst willen, und nicht als Mittel zu irgend einem Zwecke, gefalle, zu charakterisieren. Erläutert an den Beispielen, der Schönheit, der Wissenschaft, u.s.w. und an den Erscheinungen des natürlichen Talents für diese. Dieses Handeln strebe denn doch einen Erfolg außer sich an; so lange nun das Begehren des Erfolges mit der Freude am bloßen Tun noch vermischt sei, sei selbst die höhere Moralität noch ausgesetzt der Möglichkeit des Schmerzes. Ausscheidung dieser beiden durch den Standpunkt der Religiosität. – Grund der Individualität. Jeder hat seinen eigentümlichen Anteil am göttlichen Leben. Erstes Grundgesetz dieser Moralität, und des seligen Lebens, daß jeder diesen Seinen Anteil ergreife. – Allgemeine äußere Charakteristik des moralisch-religiösen Willens, inwiefern derselbe aus seinem eignen innern Leben herausgeht nach außen.” (Fichte Inhaltsanzeige, 9. Vorlesung zur Anweisung zum seligen Leben.)

Diese Sammlung von Schlagworten liest sich indes wie eine komprimierte Proklamation zum idealistischen Kunstbegriff:
“Der Erfolg außer sich” ist dann das, was ihn notwendig überhebt aus seinem (vermeintlich) eigenen Sein und nach außen zu dringen hat, da er nämlich damit, vom Eidetischen sprechend seinem eigenen Willen und Drang zur Entfaltung nachkommt. Der Lohn des Erfolges – obwohl hier eine Wahrscheinlichkeit sei wegen der Ansprache an das Kollektiv – liegt nicht in der allgemeinen Anerkennung (der Person, denn diese tritt nach dem Gesagten völlig zurück), sondern darin, daß das Resultat ein Werden selbst – das zuletzt numinosen Charakters ist – repräsentiert. Werden nimmt hier den Charakter der Übersteigung der Profanität an, hat die Qualität des Verweises und Symbols des Nicht- Vorfindlichen, aber des ‘Anderen’, erst Hypothetischen, und erfordert Dienst und Pioniergeist. Gemeint ist ein Dienst am Prozeß der Findung und seinen Maximen, Dienst an der eigenen ‘Eigentümlichkeit’ durch Zulassen, Explizieren und Entwickeln des Innersten in Erkenntnis über die Eigenart der eigenen Rolle hierin. So birgt überhaupt alles richtige Tun einen voranschreitenden Aspekt, der in der steten Annäherung an die Form der Ewigkeiten sein Ziel zu finden hat- man könnte für die Kunst sagen, bis diese sich einst erübrigt, weil das Gefundene alle künstlerische Ausdrucksweise unsagbar übersteigen muß und so zur obsoleten Herleitung werden läßt. (Man denke hier auch an Hegels Hierarchisierung von Kunst und Philosophie.) Da diese hohen Aspekte der Kunst oft verdeckt, überlagert und durch multiple äußere wie auch innerliche Begehrlichkeiten bedrängt sind, gehört es auf essentielle Art zum Künstlertum, die eigene Biographie dorthin zu disziplinieren, daß die Ermöglichung gegen alle Hemmung und profane Anbrandung Bestand haben kann.