Der wesenhafte Gott

“Dieses wahrhafte Haben Gottes liegt am Gemüt und an einem innigen, geistigen Sich-Hinwenden und Streben zu Gott, nicht dagegen an einem beständigen, gleichmäßigen Darandenken; denn das wäre der Natur unmöglich zu erstreben und sehr schwer und zudem nicht das Allerbeste. Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einen gedachten Gott; denn wenn der Gedanke vergeht, vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur. Der vergeht nicht, der Mensch wende sich denn mit Willen von ihm ab. Wer Gott so im Sein hat, der nimmt Gott göttlich, und dem leuchtet er in allen Dingen; denn alle Dinge schmecken ihm nach Gott, und Gottes Bild wird ihm aus allen Dingen sichtbar.”
“Traun, dazu gehört Eifer und Hingabe und ein genaues Achten auf des Menschen Inneres und ein waches, wahres, besonnenes, wirkliches Wissen darum, worauf das Gemüt gestellt ist mitten in den Dingen und unter den Leuten. Dies kann der Mensch nicht durch Fliehen lernen, indem er vor den Dingen flüchtet und sich äußerlich in die Einsamkeit kehrt; er muß vielmehr eine innere Einsamkeit lernen, die Dinge zu durchbrechen und seinen Gott darin zu ergreifen und den kraftvoll in einer wesenhaften Weise in sich hineinbilden zu können.” (Meister Eckhart, Rede der Unterweisung 69)

Die falsche Haltung meint, Gott als Person, als Gegenüber, als väterlichen Beisteher aufzufassen. An Gott denken, zu Gott sprechen, alle Devotion – dies führt zur Erschaffung einer Trennung in Subjekt-Objekt-Relationen und unterminiert die eigene Bestimmung und Veranlagung, die ja Teil der monistischen Disposition und Ursächlichkeit ist, so daß also die eigene Seinslage in einen Dualismus, der zur Entfremdung leitet (im Jung’ schen Sinne einer Selbst-Entfremdung), überführt wird.
Vielmehr ist es nur zielführend, sich im Selbst-Sein nach dem Hohen zu richten (ganz entgegen der theistischen Paulus-Proklamation, das Hohe zu meiden), und in der Ausrichtung ein immanentes Werden zum Höheren (und Einen) zu bilden und zu leben, es also selbst (das einzige Es) zu sein und vielmehr noch es zu werden, um es (Es) schlußendlich wesenhaft ganz zu repräsentieren. Insofern – folgt man Jiddu Krishnamurtis Diktum, die Wahrheit sei ein ‘pfadloses Land’, läßt sich als kleinster oder notwendiger Konsens doch eben ein Weg beschreiben, der – anders als im gnadenabhängigen Theismus – von Entwicklung spricht, dem also überhaupt die Bedeutung des Wortes ‘Weg’ als Überbrücker von (zuletzt imaginierten) Distanzen zukommen mag.
Zu dieser Zweckausrichtung ganz passend (über) Fichte: “Kommt Gott das Sein selbst zu, so dem Bild ein bloßes reines Vermögen, und zwar das Vermögen zur Verwirklichung des Bildes oder anders zum lebendigen Vollzug des Bildens
Und Fichte: “Ein Dasein, das nicht durch sich selbst die Vernunft befriedigt, und all ihre Fragen löset, ist unmöglich das wahre Sein.”
Das wahre Sein aber ist das ganze Sein – die monistische Eigentlichkeit in ihrer Bestimmung und Vollendung.