Der Religiöse

Fichte sagt: “In ihm (dem Religiösen) ist keine Furcht über die Zukunft, denn ihn führt das absolut selige ewig fort derselben entgegen; keine Reue über das vergangene, denn inwiefern er nicht in Gott war, war er nichts, und dies ist nun vorbei, und erst seit seiner Einkehr in die Gottheit ist er zum Leben geboren; inwiefern er aber in Gott war, ist recht und gut, was er getan hat. Er hat nie etwas sich zu versagen, oder sich nach etwas zu sehnen, denn er besitzt immer und ewig die ganze Fülle alles dessen, das er zu fassen vermag. Für ihn ist Arbeit und Anstrengung verschwunden; seine ganze Erscheinung fließt, lieblich und leicht aus, aus seinem Innern, und löset sich ab von ihm ohne Mühe.”

Nun muß man genauer fragen, welcherart die Anstrengung verschwunden ist. Dies kommt also daher, daß – im monistischen Bild gesprochen – der Widerstand des Außen immer kleiner wird bis er eben mit dem Außen selbst ganz in der Ausfüllung des (äußeren) Einen zum Einen verschwindet. Der Religiöse indes ist nämlich seinem eigentlichen Sein gemäß sich selbst und vor allem über sich hinaus der Essenz und Eigentlichkeit bewußt geworden. Sein Wollen (zur Welt), das bisher gerade Widerstand und Mühe hervorgerufen hatt, wurde ein- und überholt von (s)einem Sollen, das aus tiefstem Inneren geboren ist, daher auch nicht widerstrebt, sondern mit dem wirklichen Wollen (zum Grund) – das zugleich ein Sollen ist – vollständig in Deckung kommt.
Volkmann-Schluck sagt über den Neuplatonismus: “Die Art und Weise, wie die Seele sich selbst offenbar wird, ist wesentlich bestimmt durch den Charakter dessen, auf was sich ihr Denken richtet.”
Und: “Das Hinaussehen über das durch die Sinne Gegebene ist ein Zurückblicken auf den Nous, d. i. ein Hineinblicken in sich selbst.”

Wird die Seele sich selbst offenbar in dem Sinne, daß sie dem Eidetischen folgt, kommt sie zurück zu ihrer höheren Verortung. Folgt sie diesem Weg, wird sie so entsprechend gehoben. Nachher wird dies kein Akt des Denkens mehr, sondern das Denken selbst gleicht sich an die Vollzugsform an, die über dem Denken ist. Hierin gerade die von Fichte besprochene Mühelosigkeit. Alles fließt in sich selbst dahin und steigt sich selbst gemäß an in seine hohe Zielhaftigkeit. Mit jedem Steigen wird die darin liegende Selbstvertständlichkeit (Selbst-Verständlichkeit ist monistisch!) wachsen, in diesem Sinne also die Emphatie für das Tiefe, Wahre des eigenen Seins wie des Seins überhaupt. Hierin liegt auch eine Gleichgültigkeit oder Erhabenheit gegenüber dem, was diesem Sinne nicht folgen mag.