Geschichte und Kausalität

Möchte man geschichtliche Ereignisse nicht als Resultat sich gegenseitig bedingender Wirkverhältnisse postulieren (ihnen also prinzipiell auf Kausalität gründende Erklärbarkeit absprechen), muß man für sie nach einer ganz anderen Herleitung suchen, die ihrer Verursachung nach ebn außerhalb des Kausalen (Raumzeitlich/Deterministischen) stehen muß. Somit betritt man hier das Feld des Metaphysischen, man entfaltet eine “Geschichtsmetaphysik” (in einem echten Wortsinn und ohne polemische Konnotation), die das Empirische bzw. einen (geschichts)wissenschaftlichen Anspruch, der die Gegenwart nicht aus einer Vergangenheit ohne gegenseitig bedingender Faktoren herleiten kann, bewußt übersteigt. Was hierzu selbst von einem sonst rationalistischen Blickwinkel aus verleiten mag, ist eine “Geschichtsdynamik”, die die Normativen der kausalen Verkettungen oder Vorhersagbarkeiten – wie etwa in der Verknüpfung von Bewegung und Gegenbewegung oder Aktion und Reaktion – durch ein Hinzufügen von etwas Irrationalem oder Überschießenden und Unvorhersagbarem überschreiten kann und ohne eigentliche oder verstehbare Verursachung in die Welt zu kommen scheint. Dieser neue oder überraschende Moment zeigt sich gerade in Weltanschauungskonflikten. Will man nun dem Weltenlauf eine Potenz zu Akausalität und Antideterminus zusprechen, muß dies ein Prinzip bezeichnen, das in der gesamten Geschichte und zu allen Zeiten Wirkmacht entfaltet. Eine isolierte Einwirkung einer nicht-raumzeitlichen Instanz, eine derartige Singularität würde denen, die sie proklamieren, die schwierigsten Erklärungen abringen, schließlich ihre exklusive Exponierung als Betrugsversuch entlarven. Was aber ist außerdeterministisch für ein Agens denkbar? Es ist letztlich ein Tätigsein, das seiner Bestimmung nach den Geschichtsraum als bloßes Widerspiel von Kräften, als menschliche Idee (oder schlicht als Zufall) transzendiert. Es ist eine (dialektische) Dynamik oder Energie eines sich Rückeplizierenden, gefasst und geformt im Gruppengeist oder in einzelnen wenigen Personen tätig wirksam. Aber auch diese Geschichte als Abfolge oder als Eintritt überzeitlicher Potenz folgt einer Kausalität, nur ist diese eben von einer recht anderen, vom Menschen in aller Regel nicht direkt erkennbaren Art bestimmt. Eine erkennbare tiefere Notwendigkeit zur geschichtlichen Explikation wird allerdings durchaus auch im normalen Sprachgebrauch deutlich, wenn man z.B. sagt: ‘Die Zeit ist reif’.
Fichte sagt: “Die gegenwärtige Erscheinung treibt nach der folgenden, und diese fordert, diese folgende aber nicht möglich ist ohne Darstellung der ersteren; und drum zuvorderst diese Darstellung gefordert wird. Das Soll ist eigentich die Forderung der ewigen steten Fortentwicklung des göttlichen Bildes…so werden die Gesichte einer übersinnlichen Welt praktisch. “ (Fichte – Die Anweisung zum seligen Leben. Seite 798)