Hedonismus versus Transzendenz

Typischer Einwurf aus kirchlich konservativem Milieu, abwertend: Hedonismus (gottesfern, profan und ichbezogen) ersetzt heute Transzendenz (christlich). Aber wo findet man  die Transzendenz („Überschreitung des Empirischen“) eigentlich innerhalb der Kirche? Wo und wie ist überhaupt Platz für sie in der christlichen Theologie? Daß der Mensch final ins Reich Gottes eingeht, ist prinzipiell von allen theistischen Religionen her bekannt. Zunächst: Nach christlichem Verständnis steht der Einzelne zu Gott in moralischer Schuld, durch Tat oder Abbitte (oder Gnade) verlässt er dann endlich seinen Zustand des Geworfenseins, somit ist Erlangung von Transzendenz hier ein Synonym für seine Sünden bzw. Weltüberwindung. Dem liegt eine linear – teleologisches Verständnis von der Entwicklung des Menschsein/in der Welt–Sein, gottesfern sein  zum „als zu Gott berufen sein“, mit Endziel“bei Gott sein“ bzw. göttlich sein, zugrunde. Dies geschieht aber nicht im Sinne von „Gott werden“, es bleibt zuletzt auch immer eine Einschränkung des Transzendenten durch eine (ewige) Hierarchisierung, auch durch Erhaltung der Individualität. Denn ganze Transzendenz wäre ja Überschreitung in totaler Ausdehnung/Nichtung (somit auch des Individuellen – zum totalen (Nicht)Sein. Und das wäre eben auch immanent für das Hier und Jetzt, also gerade auch für das Irdische, denn Zeit und Raum bilden in der transzendentalen Schau kein Eigenes, Abgeschlossenes. Anders im Christentum: Das irdische Leben selber bleibt im Christlichen prinzipiell immer (vom Eigentlichen) abgeschieden und daher letztlich auch antitranszendental (eben bis zur Erlösung). „Hedonismus“ bedeut ursächlich (nach Epikur) „final nach Freude zu streben“, (nebenbei: demnach wäre der Eingang ins christliche Paradies die höchste Verheißung des Hedonismus!). Bei Epikur bezeichnet Ataraxia  die höchste Lust durch kluges, gerechtes und lustvolles Leben. Die Kirche hat nur den Gedanken der Gerechtigkeit beibehalten. Das Natürliche, Notwendige, Lustvolle aber  hat sie durch ihren ureigenen Irrationalismus und  den Begriff der (Gottes-) Furcht ersetzt. Dadurch hat sie den Einzelnen zutiefst kaserniert, beengt und entfremdet, wirkt also auch in dieser Hinsicht antitranszendental. Im Gegensatz hierzu ist Hedonismus aber sowohl als diskreditierender Terminus für Form oder Bedingung der Selbstvergewisserung als auch darüberhinaus als interpersonelle (Re)aktion interpretierbar, also als eine Bewegung aus dem horizontal- zweckgerichteten Christlichen (und dem Individuellen/Abgeschiedenen) in die vertikale (daher immanente) Durchdringung jeden Seins, des Hiesigen, des Eigenen, Individuellen (und Anti-Individuellen), dann zum Höheren/Letzen. Hierfür kann symbolisch der Austritt, die (angestrebte)Ekstase verstanden werden. Ohne Selbstschau, Vergwisserung und (Eigen)Entfaltung, (auch in Freude), einem Kontroll-Gott entzogen- sich der eigenen Transzendenzautarkie vergewissernd, kann es gar nicht zu Fülle und Überfülle, schließlich Emanation oder Erkenntnis kommen.