Grund und Fülle

Meister Eckhart sagt: “Hinwiederum gibt es drei Begünstigungen für die Vereinigung Gottes mit der Seele. Die eine: daß die Seele einfaltig sei und ungeteilt; denn, soll sie mit Gott vereint sein, so muß sie einfaltig sein, wie Gott einfaltig ist. Die zweite: daß sie oberhalb ihrer selbt weile und oberhalb aller vergänglichen Dinge und an Gott hafte. Die dritte: daß sie von allen körperlichen Dingen geschieden sei und nach der ersten Lauterkeit (= ihrem göttlichen Urgrunde) wirke. Augustinus sagt über die freie Seele: Wenn du mich nicht willst, so will ich dich; wenn ich dich will, so willst du mich nicht. Wenn ich dich jage, so fliehst du mich. Die lauteren Geister laufen in der Wiederkehr einen (und denselben) Lauf hin zu der Reinheit Gottes.”

Die Seele soll sich nicht teilen in die Bildlichkeit, sie soll eigentlich ganz im Grund ihrer Darstellung und Fülle sein, um ihrem Ursprung beizukommen. Hierzu soll sie sich entbildlichen, ent-konkretisieren. Dies heißt aber nicht, sie soll arm oder leer sein, sondern vielmehr soll sie Fülle sein, man könnte sagen: In ihrer Potenz zum Überschwang in sich selber schwelgend. Wie aber läßt sich dies mit dem Leben in der Raumzeitlichkeit (die Bild meint) vereinen? Eben durch die Art, wie die Seele sich gegenüber dem Raumzeitlichen verhält. Indem sie es als Bedingtes erkennt, als Symbol nimmt und das dahinterliegende Prinzip durchdenkt oder erahnt, und indem es in der geistigen Grundhaltung das geteilte Sein überkommt und alles Geteilte oder Subjektivierte als Exemplarisches nimmt. So wird das Leben im Leben transzendiert, so wächst das Leben über sich selbst hinaus – über das Bild in seine Bestimmung – die eben über dem Leben liegt, dieses Leben als ein sogenanntes soll an den rechten Platz gerückt sein, so wird das Leben in gewisser Weise schon im Bild entbildlicht, wird so schon geheiligt im Hier.