Überschwung

Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Nur im Hinaufschwingen über alle Bestimmtheit der Gestalt wird das Eine offenbar. Ihm darf keine Bestimmung beigelegt werden, weil jedes Bestimmen durch ein Prädikat einer Eingrenzung gleichkommt. In dem alle Bestimmtheit transzendierenden Hinaufschnellen findet ein Überschwung über die Zweiheit, die Grundform des noetischen Erkennens, statt. ‘In die Zwei vorschreiten’ charakterisiert die alles Erkennen ermöglichende Grundbewegungsform des Anderswerdens überhaupt, das gegenübertretende Begreifen von Einheiten, die der Nous vorbildend als Eide vernimmt. Aber nicht in dem Begreifen eines Einen und Selbigen von noetischer Bestimmtheit enthüllt sich das Eine: Denken hat immer schon den Schritt zur Zweiheit vollzogen, zum Unterschied überhaupt, den es zu seinem wesentlichen Moment macht. Das Erfahren des Einen aber erfordert ein Sich-halten im Einssein und Ganzsein ohne den Unterschied.”

Unsere Biographie fordert uns auf, passend zu diesem Sachverhalt unser gesamtes Leben zu bestimmen. Es geht hierbei um ein Verallgemeinern und Fortführen und Überschreiten dessen, was begrenzt, dessen was formhaft wird als Eingeübtes und Vertrautes. Dies soll gedanklich und darüber umso mehr seelisch in lebenspraktischer Weise zur Ausführung kommen. Nicht das Verharren und Verhaften an veräußerten Bedingungen, Sachverhalten, Handlungen, Personen, sondern das Durchschauen und das Exemplarisch-Nehmen jeder Vereinzelung soll in den Vordergrund des Tuns und Seins rücken. Auch soll die Beachtung von Aspekten eingeübt werden, die außerhalb des eigenen üblichen Fokus sind. Das Bekannte indes soll bis auf den Grund durchdrungen sein. Im Gestalterischen heißt dies Vertiefung und Grenzverschiebung und immerwährende Erkundung, im Lebenspraktischen heißt dies Durchwirkung des Eigenen und der nahen Umgebung – der Alltag wird so der Platz zur Disziplinierung und Gestaltung zur Wesenhaftigkeit.

In diesem Sinne Ficino (bei Beierwaltes): “Der Geist erschließt sich durch eine ständig wachsende, produktive Negation des Endlichen neue, im Blick aufs absolut Unendliche immer weitere und höhere Seins-und Einheits-Formen, oder – im Blick auf die Erkundung seiner selbst in einer anderen Metaphorik gesagt – er dringt in gedanklich immer dichtere Tiefen seiner selbst vor, die mit der ‘Weite’ und ‘Offenheit’ gegenüber seinem eigenen Ursprung identisch sind.”