Purusa

Der Anfang der Materie:
“Der purusa wird als das definiert, was vor allen Dingen da war, ein kosmischer Urriese, gleichsam in Menschengestalt (Kakranthopos), der um sich blickte, nichts als sich selbst sah und ausrief: ‘Das bin ich!’ Allein hatte er keine Freude und begehrte nach einem Zweiten. Er selbst war so groß wie ein Weib und ein Mann, wenn sie sich umschlungen halten. So fällte er sich selbt in zwei Teile, woraus Gatte und Gattin entstanden.Der Leib wurde zur Halbscheid, den leeren Raum füllte das Weib, sie begatteten sich, und so entstanden die Menschen. ‘Sie’ verwandelt sich in die Muttertiere, ‘er’ in die männlichen Entsprechungen, und so zeugen sie die Tierwelt, womit die Schöpfung weitergeht bis in die feinsten Verästelungen. Das ist eine der gängigen Auffassungen vom Anfang.” (Kommentar zum Yogaleitfaden des Patanjali)

Somit: Ein Eines als früheste Bestimmung muß eigentlich schon vor Purusa dagewesen sein (zumeist als buddhi bezeichnet) und tritt mit sich selbst in Aktion, indem es erst die Potenz zur Begehr (nach Emanation) vor sich brachte. Diese eben ist Purusa. Purusa bedarf nun des Raumes, des Fluidums der Entfaltung. Purusa ist vor Prakriti, Prakriti ist Teil von Purusa, ist Medium und Empfänger seiner Begehrlichkeit, die aus ihm selber hervorkommt in der Erkenntnis seiner Alleinheit.

“Die Samkhya-Lehre deutet den Anfang mehr von der Materie her. Sie muss einen Gegenspieler haben, der sie regiert und genießt. Um die Gegensätzlichkeit rein zu halten, kann dieser aber nur ‘bloßer Zeuge’ sein, ohne jede Tätigkeit. Er wird lediglich ‘gleichsam tätig’, weil die materiellen Eigenschaften durch ihn zum Täter werden. Geist und Materie vereinigen sich wie der sehende Lahme mit der blinden Gehenden, und daraus ensteht die Schöpfung. Die Schöpfung (Materie) entfaltet sich, um den Geist zu erlösen: ‘Wie eine Tänzerin vom Tanze absteht,/ Nachdem sie vor dem Publikum sich zeigte,/ So kehrt die prakriti in sich zurück,/Nachdem sie sich dem purusa offenbarte./ Nicht gibt es etwas, das ist meine Meinung,/ Zartfühlenderes als die prakriti;/ Nachdem sie weiß, daß sie gesehen worden,/ Zeigt sie sich nicht nochmals dem purusa”.

Assoziiert man purusa mit der Weltseele im Neuplatonischen, fällt auf, daß der Dualismus der Weltentstehung dort schon im Rückblick des Geistes auf das Eine ansetzt, wodurch die Vielheit erlangt wird, die den Urzustand verlassen hat. Dann erst folgt die Gesamtseele als ihre unterste Hervorbringung, und hier erst setzt die Begehr nach weltlicher Verwirklichung ein. Die Materie als Medium der Verwirklichung ist dabei kein Gegenstand eingehender Betrachtung. Nach Platon ist die Materie ein reines Nichts (nach Apelt). …Materie oder Raum ist schlicht Medium der Transmission des Geistes in seiner Verstetigung und Verlangsamung.
Wenn die Materie indes ganz in ihre Verursachung und vor ihre Veräußerung zurückgekehrt ist, erlangt der Geist die Absolutheit, die ewig und ausschließlich ist.