Tolstoi und noussphärisches Christentum

“Die ganze äußere Welt, wie wir sie sehen, ist nur für uns so.
Zu sagen, die Welt sei wirklich so, wie wir sie sehen, ist ganz so,
als würde man sagen, es könne keine Wesen mit anderen Sinnesorganen geben.” (Tolstoi)
Befasst man sich mit der privaten Zitatensammlung Tolstois, die unter dem Titel “Für alle Tage” in Buchform  erschienen ist, wird ersichtlich, daß jener prinzipiell auf christlichem Fundament steht, die Anthropozentrik aber des christlichen Glaubens stets zu relativieren sucht. Daraus resultiert seine hohe Emphatie für alles Belebte und gerade auch für die Tierwelt. Der Fokus wird auf einen Bewußtseinsbegriff gelenkt, der von einer potentiellen Ungeschiedenheit des essentiell Göttlichen künden will, das lediglich in verschiedener Bewußtseinsstufe zu Form gelangt ist.
Hier zeigt sich  deutlich eine christlich noussphärische Ausrichtung Tolstois. Anders als im Westen hatte sich durch die Nähe Rußlands zum griechisch antiken Kulturraum, tradiert  auch über das Erbe vom nahen Byzanz, jenes eine idealistische platonische Linie bewahren können, die in Facetten vor der Aneignung der christlichen Lehre durch das petrinisch- römische Christentum in der christlichen Gnosis -vor allem in Ägypten-lebendig war.
Das Gemahnen der Verkennung einer  tieferliegenden christlichen und nicht-dogmatischen Implikation taucht so in Tolstois Einlassungen immer wieder auf: “Dank der Verkehrung des Christentums ist unser Leben schlimmer geworden als ein heidnisches Leben!”, ebenso die ontologische Prämisse der vorchristlichen Griechen: “Ob sie es wissen oder nicht, alle Wesen sind untrennbar miteinander verbunden.”