Karl Jaspers: “Die Liberalität ist im Bunde mit der Aufklärung, aber mit der echten Aufklärung als der unaufhaltsamen verantwortlichen Bewegung der Vernunft, ohne je vollendet zu sein, nicht mit der falschen Aufklärung als vermeintlicher Vollendung des Bescheidwissens mit rationalen Mitteln. Die schlechte Aufklärung gibt es geschichtlich zu allen Zeiten. Sie ist in der Tat der Unglaube, der seinen festen Boden in Rationalitäten abergläubisch zu haben meint.”
“Aufklärung = Unvollendete Bewegung der Vernunft.”
“Aufklärung des Bescheidwissens (Aufkläricht) …und Liberalismus als intolerante Verabsolutierung eines vermeintlich endgültigen Verstandeswissens von der Freiheit und der Gleichheit aller Menschen, die in der Tat den beliebigen Triebhaftigkeiten Raum gibt.”
Dieses Wort von Jaspers kann nicht hoch genug angesehen werden. Es antizipiert gerade einen Mangelzustand der heutigen gesellschaftlichen und politischen mentalen Verfasstheit.
Die wachsende Intoleranz ‘der Überzeugten’ (die sich gerne Rationalisten und Atheisten nennen) liegt an der (aus ihrer Sicht nötigen) Verabsolutierung der Prämissen als Ersatz einer göttlichen Herleitung für den im raumzeitlich begrenzten (weltlichen) Zustand als unbegrenzt erfühlten Emanzipationswunsch. In diesem Kontext läßt sich mit Peter Strasser treffend von einer Immanenzverdichtung sprechen. Problematisch zeigt sich die Verstetigung einer anti-metaphysischen Sicht, die auf einem überkommenen physikalischen Weltbild beruht, das noch immer wie selbstverständlich zur Absicherung vorausgesetzt wird, obwohl es im Grunde lange obsolet ist. Der Physiker R. Millikan sagte bereits 1932 : „…der dogmatische Materialismus in der Physik ist tot.” Und doch ist es bisher nicht gelungen, in einer Zeit der wohlgenährten weltanschaulichen Selbstgefälligkeit wie unserer -die sich besonders in der Dominanz ihrer Wortführer wie deren Torso-haften Gedankenwelt äußert – nur im Ansatz ihre (Pseudo-) Legitimationen abspenstig zu machen. Von theologischer Seite kann dies nicht (mehr)geschehen, weil man ihre Lehren als Schatten vergangener, verlorener Ansprüche wahrnimmt, hingegen (Post-Planck’sche) wissenschaftstheoretische Aussagen diffundieren nicht breit genug in ein öffentliches Bewußtsein, das zudem noch zunehmend der massenmedialen positiven Zeichnung regressiver Theismen ausgesetzt wird. Hier kommt es zu einer Liaison von ‘Bescheidwissen’ als Ausweis eines anmaßenden Wissenschaftsglaubens und anderseits aber zu einem Toleranzvorschuß für rigide religiöse Systeme, die mentalitätsgeschichtlich für den Westen eigentlich nicht (mehr) in Frage kommen. Beide hemmen etwa in radikaler Weise die Proklamation Hegels, nach der “Geschichte als Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit in der Verwirklichung der substanziellen Vernunft” bedeutet.
Ein Satz, ein Anspruch, der heute so verloren scheint wie die Zeit, in der er formuliert wurde.