Augenmotiv

C.G. Jung: “Aus der Selbstbiographie von Ignatius von Loyola erfahren wir, daß er öfters einen hellen Schein sah, der, wie ihm vorkam, manchmal die Gestalt einer Schlange hatte. Sie schien voll leuchtender Augen zu sein.” …
“Die(se) Vision enthält in summa alle hier behandelten Aspekte des Augenmotives und stellt eine überaus eindrückliche Gestaltung des Unbewußten mit seinen disseminierten Luminositäten dar. Man kann sich leicht die Perplexität vorstellen, die ein mittelalterlicher Mensch angesichts einer so eminent ‘psychologischen’ Intuition empfinden mußte, um so mehr als kein dogmatisches Symbol und keine hinreichende Allegorik der Väter seinem Urteil zu Hilfe kam. Ignatius hatte aber nicht so sehr danebengeraten, denn die Tausendäugigkeit kommt als Eigenschaft auch dem Urmenschen, dem Purusa, zu.”

Man kann hier allerdings davon ausgehen, daß es sich um ein Mythologem handelt, das prinzipiell durch eine (transzendente) Empirie belegbar wäre, und die Darstellung von Purusa ist somit weit mehr als nur Symbol. Die Gewichtung liegt hier ganz auf der ontischen Charakteristik, also auf der echten Ansicht des Erfahrenen, die dabei numinosen Charakter aufweist und zweifelsohne eine Anbindung an das (transpersonale) Unbewußte erfährt.

Der Maler Alex Grey spricht in einer DMT-Vision über ein geschautes Bild, dem eine kollektive Sicht zu Grunde liegt, es handele sich dabei um vielerlei Augen, die sich vervielfachen und in einen “Dom aus Augen” münden, Augen, die nach seiner Aussage auf besonders schöne Weise geometrisch arrangiert waren.

Wir finden bei Hildegard von Bingen in ihrem Werk Scivias indes eine folgende Vision von den “Chören der Engel”:
“In dem einen (Chor) erschienen die Geister voller Augen und Flügel, hatten in jedem Auge einen Spiegel, in dem ein Menschenantlitz aufleuchtete, und erhoben ihre Flügel gleichsam zum Emporschwingen in himmlische Höhen.”
Abstrahiert man von der christlichen Terminologie, dann kann der Engel – als Synonym für die Geist-vermittelnde Macht – für den zur Verwirklichung geneigten Aspekt des Nous angesehen werden. Dieser Aspekt als seine untereste Hervorbringung ist dabei nichts anderes als die Weltseele (vergleiche hierzu die Konzeption von Purusa/Prakriti im Hinduismus). Nach der (platonischen) Aussage, alles lebe und webe durch die Weltseele, erschließt sich so auch das Bild vom Auge, denn die Verwirklichung zur Stofflichkeit (die Bild ist), geschieht perzeptionell, das heißt, die (so benannte) Realität wird geschaut, ist also Ansicht durch (bzw. nach) den Mechanismen der Perzeption. Die Weltwerdung der geistigen Ideen geschieht damit durch tausendfache Sichtbarmachung. Emanation ist unterschiedene Schau und darin bedingte Begrenztheit. Die Summe der Schau, das Bild aus allen Augen wäre die wiedergewonnene Totalität und Ganzheit des sich selber mannigfach Schauenden und Veräußernden.