Eine Vorwegnahme Plotins durch den Neupythagoreismus

Im Neupythagoreismus  herrscht eine  Tendenz vor, Platon in die geistige Tradition von Pythagoras zu stellen  -so auch durch den  Neupythagoreer Numenios.  Nach ihm ist es  daher gar Aufgabe der Platoninterpreten, aus den Schriften Platons  wieder den echten, d.h. den pythagoreischen Platon freizulegen. Wir können in folgendem  nicht nur eine Bekräftigung  dieses Gedankens, sondern gar  eine Aussage über die Schlüssigkeit der neuplatonischen Interpretation der Ontologie Platons, -über die Schlüssigkeit der Traditionslinie Pythagoras, –Platon, –Plotin –  bei einem weiteren Neupythagoreer, nämlich bei  Moderates von Gades (um Christi Geburt) feststellen, denn  Christoph Riedweg : “Mit der Ansetzung einer ersten Eins über dem Sein und jeder Seiendheit unter der das zweite, mit den Ideen gleichgesetzte Eine steht, gefolgt vom Bereich des Seelischen und der Natur der sinnlich wahrnehmbaren Dinge, scheint Moderatos Plotins System der Hypostasen vorweggenommen zu haben.”
Die Relativierung Platons kann allerdings konsequenterweise um eine Relativierung Pythagoras’ erweitert werden: “Auch er ist nur ein Vertreter jener alten Weisheit und Wahrheit, in deren Besitz schon nichtgriechische Völker …waren. “ (Numenios) Die Aussage aber des Mittelplatonikers  Kelsos, Platon wäre nichts anderes als ein attisch sprechender Mose, halte ich wegen der Verschiedenheit der Lehre für verwegen wie grundverkehrt.
An die Ansicht über eine platonische Kolportage einer Urweisheit fügt sich der Theosoph  Edouard Schure an: “Nachdem wir versucht haben, in Pythagoras den größten der Eingeweihten Griechenlands und durch ihn den ursprünglichen und universellen Inhalt der religiösen und philosophischen Wahrheit weder aufleben zu lassen, könnten wir davon Abstand nehmen, von Plato zu sprechen, der dieser Wahrheit nur eine phantasievolle und volkstümlichee Form gegeben hat. Aber Plato konnte nicht öffentlich die Dinge lehren, die, welche die Pythagoreer mit einem dreifachen Schleier bedeckten. Es ist wohl die esoterische Lehre, die wir in seinen Dialogen wiederfinden, aber verborgen, gemäßigt, von einer in Vernunftschlüsse gekleideten Dialektik wie von fremdem Ballast bedeckt.”