Ein Proband einer Nahtoderfahrung: “Ich bekam alle Antworten, die ich wollte. Ich sah, daß es einen Plan gab und alle Dinge einen Grund haben und daß wir alle so geliebt werden, wie wir sind. Danach erreichte ich einen Punkt, an dem ich keine Fragen mehr hatte, weil ich irgendwie den gesamten Plan kannte. Es war wie ein Erinnern; meine Seele hatte diese Weisheit vergessen.”
Hier sei das Konzept der platonischen Anamnesis erwähnt:
-Anamnesis: Die Wiedererinnerung der Seele an vor der Geburt, d. h. vor ihrer Vereinigung mit dem Körper, geschaute Wahrheiten.
“Einen Hinweis darauf, dass Anamnesis stattfindet, bieten für Platon bereits die Erfahrungen, die sich bei der mühsamen Erkenntnissuche einstellen. Wenn man philosophisch Wahrheit zu ergründen versucht, entdeckt man zunächst die Fragwürdigkeit der Meinungsbildung aufgrund von unzuverlässigen Sinneswahrnehmungen, nicht hinterfragten Vorstellungen und naiven Folgerungen. So stößt man auf das eigene Nichtwissen und wird ratlos, man gerät in die Aporie. Schon dabei ist nach Platons Verständnis die Anamnesis latent am Werk, ohne als solche bewusst zu werden. Vorgänge wie das Begreifen des eigenen Nichtwissens und das Wahrnehmen der eigenen Ratlosigkeit sind nur möglich, weil ein unbewusster Bezug zum Bereich des Absoluten, wo diese Mängel nicht bestehen, von vornherein gegeben ist und eine konfuse Erinnerung daran vorhanden ist.” (Nach Ficino: “Nur im absolut Unendlichen kommt die intentional unendliche Bewegung des mens zur Ruhe.”[Beierwaltes])
Weiter über Platon: “Ohne eine solche Verbindung zur Ideenwelt gäbe es keinen Impuls zu philosophischer Suche. Im Verlauf der Erkenntnisbemühung, die von diesem Impuls ausgelöst wurde, gelangt der Philosoph dann zum Bewusstwerden der Anamnesis selbst. Indem er begreift, dass sein Erkennen ein Erinnern ist und dass die Inhalte der Erinnerung in seinem Geist vorhanden und dort prinzipiell zugänglich sind, schafft er die theoretische Grundlage für Wissenschaft im platonischen Sinn.” (wikipedia)
Freilich kommt in diesem Zitat nicht ausreichend die eigentliche Beheimatung von Seele und Wissen bei Platon zum Ausdruck. Im Nahtod-Erleben kommt man dieser Heimat (sprunghaft) näher, denn dort kommt es zur Erlangung bzw. Erfahrung des eigentlichen Seelenstatus des (höheren) Ich als geistige Entität transzendenter Herkunft.
Für den Neuplatonimsus Volkmann Schluck: “Das Denken des Nous ist ein Sich-selbst-vor-sich-selbst-bringen.”
Die Seele, wesenhaft ja teilhaftig am Nous, weiß daher in ihrer ‘verbesserten’, nachtodlichen Disposition stetig mehr von dessen Inhalten. Dies gelingt ihr explizit nach der Befreiung aus dem Körper, der die Seele an die Hiesigkeit bindet und sie sensorisch auf die Wahrnehmung der uns bekannten Raumzeitlichkeit bzw. Körperlichkeit reduziert. Das platonische Grundmotiv – das Überschreiten der Sinnesdinge durch die Seele zu ihrer eidetischen überpersonalen Qualität besagt: “Das Hinaussehen über das durch die Sinne Gegebene ist ein Zurückblicken auf den Nous, d.i. ein Hineinblicken in sich selbst.” (Volkmann Schluck)
Und damit: “Zum wahren Selbstbesitz gelangt dieSeele aber durch die im Lernen vollzogene Aneignung der Wissensgehalte, die ihr zunächst fremd gegenüberstehen, die sie sich aber im Lernvollzug zu eigen macht. Die Einung mit dem Wissensgehalt ist aber in Wahrheit die eigene Wesensaneignung – ‘er – innertes’ Wissen.” (Volkmann Schluck)