Das Zwischen des Einen

Nach Parmenides :
“Während die Thesis die Einheit als solche bis zur Aufhebung in die Unerkennbarkeit durchdenkt, überhäuft die Antithesis das Eine mit einer Fülle entgegengesetzer Prädikate, ohne deren Beziehung zu klären. In der Thesis wird es das vielheitlose Nichts, in der Antithesis wird es zum Inbegriff aller Gegensatzbestimmungen ohne Vermittlung.” (Volkmann-Schluck)
Und für Plotins Hypostasenlehre: “Diesen beiden Gegenthesen folgt eine Vermittlung, die die entgegengesetzten Bestimmungen vereinigen soll. Sein und Nichtsein des Einen sind nur möglich, wenn das Eine im Nacheinander der Zeit das Sein verlassend in das Nichtsein eintritt und umgekehrt. Nur in der Bewegung des Entstehens und Vergehens sind entgegengesetze Bestimmungen an einem selbigen möglich. Es entsteht und vergeht, indem es das Sein aufnimmt und wieder entläßt. Ebenso ist das Vieles- und Einessein des Einen nur so möglich, daß es das Einessein verlierend Vieles wird und umgekehrt. Dieser Umschlag von dem einen in den anderen Gegensatz kann selbst nicht in einer Zeit stattfinden, er ist nur möglich in dem seltsamen Wesen des Augenblicks als dem Worin des Übergangs, in dem etwas die Bewegung verlassen hat, aber in den Stillstand noch nicht eingetreten ist. Dieser Augenblick ist von einer eigentümlichen Art des ‘zwischen’ Ruhe und Bewegung, das selbst keine Zeit ist. Alle Übergänge vollziehen sich in diesem zeitlosen ‘Zwischen’, in dem etwas im Verlassenhaben seines Zustandes den entgegengesetzen noch nicht erreicht hat.”
(Volkmann Schluck)

Plotin:
“Für die Seele ist das, was  der Nous in vollendeter Gegenwärtigkeit da hat, nur als die Seinsgehalte der sich in zeitlicher Bewegung befindlichen Sinneswelt da.”

Volkmann Schluck:
“Die plotinische Grundvorraussetzung besteht in dem Einnehmen eines übermenschlichen Standortes im Nous, zu dem sich zu erheben Aufgabe des Philosophierens ist. Plotin philosophiert von dem Standort des göttlichen Nous in seiner idealen Vollkommenheit aus. Dieser Standort wird dabei nicht einfach vorausgesetzt, sondern im Vollzug einer sich als Ontologie der Seele begrifflich exponierenden seelischen Bewegung in der philosophischen Selbstanschauung gewonnen.”

Aus Gesagtem wird zum Einen deutlich, daß die Seele als “Anteileigner” der geistigen Vielheit im Aufstieg zu ihr und in ihrer Betrachtung   die Inhalte der Vielheit erst als ihr sinnlich (im Sinne von raumzeitlich) manifest bzw. erfahrbar evoziert. Darüber hinaus ist aufgrund der inneren Verbundenheit aller Seinsbereiche   – Plotin: “Denn nicht nur der Nus, sondern auch Gott, der Urgrund des Nus, ist in uns.” – ihre Rolle als Zuträgerin zur letzten ‘übervielen’ Unbestimmtheit in der Art wirksam, daß sie somit der Ruhe etwas “entfernt”, bzw. die Verwandschaft der Vollkommenheit des Nous zum Einen durch Differenzierung zu ihr hin in die verfestigte Vielheit transformiert,  die  so schließlich stofflich wird und somit in der  Qualität als dem dem  Einen Nahen vom Einen weggezogen wird. Die Denkvorgänge der Seele sind dabei (im Sinne einer feinstofflichen und räumlichen schöpferischen Betätigung)   in zwei Richtungen wirksam. Erstens ziehen  sie  die attributlose Potenz zum Vielen, zweitens denken  sie aber auch umgekehrt das Viele zurück zur Einheit. So sind diese Denkvorgänge ihrer Qualität und Tätigkeit nach mit dem Antithetischen des  Zwischenraums  “verstrickt”.
Welchen Anteil und welchen Einfluß auf den  Augenblick des überzeitlichen “Zwischen” die Seele und ihre perzeptive , raumzeitlich bindende und schaffende Potenz entfaltet, wird nebenbei gesagt von der Quantenphysik genauer unter dem Stichpunkt ‘Kollaps der Wellenfunktion’ zu untersuchen sein.