Nous, kein Abstractum

Über den  Renaissancephilosophen Francesco Patrizi, Professor für platonische Philosophie in Rom: “Das von Francesco Patrizi vorgestellte System gliedert sich in drei Hauptteile: 1) eine Prinzipienlehre, die Panarchia -, die Theorie des Einen und des Gottes, Theorie des Geistes (nous) und bestimmter, in diesem Geist als dessen Vollzugsform grundgelegter ontologischer Strukturprinzipien ist- dabei verwandeln sich die ersten beiden Faktoren des neuplatonischen Grundmusters Eines-Geist-Seele jeweils in ihr christliches Komplement: das Eine in den dreieinen Gott, der Geist in die Engelgeister. …” (Thomas Leinkauf)
Die erste Einordnung halte ich für einen Fehler neuplatonisierender Theologie. Die  erste  plotinische Hypostase  beschreibt kein personales Agens, man kann sich ihr  unter theologischem Aspekt nur  mit  negativen Attributierungen annähern.   Ihr Eines ist monistische Umfassung und betont  eine Immanenz des transzendenten Wirkprinzips in allem ( welches  hypostasiert) und stellt daher die univoke Seinsteilhabe am Absoluten heraus  und widerstrebt somit dem  christlichen Verständnis eines personalen, handelnden Vater-Gottes samt seiner ontischen Trennung zur Schöpfung. Und im Neuplatonismus ist das Eine handelns, nicht schöpfend, sondern dier Nous schöpft in der Rückwendung auf das Eine, was gerade auch die Seelen-Hypostase  -als untere Hervorbringung des Geistes – zuletzt den Menschen selbst als Teilhaber einer  natura naturans  ausweist.
Die zweite Hypostase, den Bereich des Geistigen  mit Entitäten – mit “Engelgeistern” zu verbildlichen, zeugt hingegen  von einem gewissen Verständnis über dessen Verfasstheit. Denn dieser bleibt so kein Abstraktum,  sondern er ist als  gegliederter oder hierarchisierter Bereich der geistigen (aber feinstofflichen) Essenz zu denken, was einer konkretisierenden Weltenbeschreibung gleichkommt.   Jene beschreibt eine Welt im Aufstieg,   die dimensional über uns (bzw. unerkannt um uns) liegt (im Telos der Rückexplikation liegt sie aus der Raumzeit betrachtet in der Zukunft) . Konkret sind dies belebte Bereiche  der höheren und parallelen Dimensionen, der Räume fremder und weiterentwickelter  Entitäten.-  Engel, Lichtwesen, Dämonen, Devas, auch Aliens  sind Bezeichnungen, Namen und Termini aus verschiedenen Zeiten und kulturellen Blickwinkeln, die hierzu das gleiche oder sehr Ähnliches meinen. Man muß auch hier die Schale zerbrechen, um zum Kern zu kommen. Die Schale meint die mythologische Einkleidung, die ab einem gewissen Grade  nur noch die Funktion  einer  gesellschaftlichen Identitätsstiftung einnimmt,  daher  dogmatisch  implementiert die Ursächlichkeit und die Kunde vom Eigentlichen, ihre Intention, nämlich eine höhere Welt zu kartographieren und dem menschlichen Verständnis zugänglich zu machen,  ganz aus den Augen verlor.