Ursächlichkeit, Übersetzung, Entfremdung


“…die frühen Herrscher seien zugleich Schamanen gewesen, setzt doch der Schamanismus als die Fähigkeit, nach Belieben die Diskontinuität der Formen zu transzendieren, eine animistische Ontologie voraus. So muß der Schlüssel zum Verständnis der alten chinesischen Ordnung im ‘monopoly of high shamanism’ gesucht werden, vermittels dessen die Herrscher Zugang zur Weisheit der Götter und Ahnen erhalten hätten, der Grundlage ihrer politischen Autorität. Ähnliche Auffassungen findet man bei [ ], die dem Begriff des Schamanismus eine so weite Ausdehnung verleihen, daß er nahezu das gesamte Feld magisch religiöser Praktiken umfasst. [ ]schreibt dem Schamanismus eine zentrale Bedeutung bei für die Transformation der Urgesellschaft in eine Klassenteilung und auf staatlicher Herrschaft beruhende Ordnung zu, die durch die Übernahme magisch religiöser Funktionen durch den Häuptling bzw. Herrscher legitimiert worden sei.”
(Stefan Breuer)

“Die divinatorischen Praktiken …seien eine entscheidende Machtquelle des Königshauses gewesen, da sie die Dynastie legitimierten und dem König und seinen Wahrsagern die Fähigkeit zuschrieben, das Unbekannte kontrollieren zu können, womit ihre Position unangeifbar war.
…In späterer Zeit hätten sie jedoch ihre Beziehung zu den transzendenten Mächten so stark routinisiert und geordnet, daß ihnen die improvisatorischen Elemente der schamanischen Ekstase in Bezug auf ihre religiöse und politische Autorität eher als kontraproduktiv erschienen.”

Hier ist die ganze Entwicklung einer (urreligiösen) Grundlegung, ihrer Ableitung und schließlichen Entfremdung exemplarisch ablesbar: Am Ursprung der Staatlichkeit, (Hoch-) Kulturkultur und -Religion steht die ganz ursächliche Verortung durch umfassendes (transzendentes) Wissen, welches bestimmt ist durch das Entheogen. Insofern ist zu Beginn die erwähnte Herrschaft durch rechtes Wissen legitimiert: Sie handelt mit den wahren und eigentlichen (aber verborgenen) Dingen und ist hierzu Mentor und Vorbild. So formt sich (apodiktisch) eine Rahmung, eine Einordung in den eigentlichen ontischen Zusammenhang. Kulturelle Leistung deutet dabei stets zu diesem Punkt, durchdringt die Hiesigkeit mit diesem Geist, gibt von ihm Kunde und Abbild für Alle. Die Autorität der Erfahrung bildet den Pol, den Grund, den Stamm, um den sich Gesellschaft expliziert und differenziert.
Differenz aber heißt hier auch bald Abstandnahme und Entfernung, denn mit ihr einher geht Übersetzung, Standardisierung, Ritualisierung, Symbolisierung. Anbindung und Intention des eigentlichen ursächlich Gewußten kommen über die Zeit weitgehend abhanden. Es kommt zuerst zur Entfremdung der Vielen in der (wachsenden) Sozietät und darauf zur Illegitimierung der Eliten. Selbst diese haben bald keinen Zugang mehr zum (nun immer ferner übersetzten) Sakrament, die wahre Kolportage ist zur sinnentleerten Konvention verstellt, da sich jene Tradierung in der Zeit stets weiter externalisiert und bald nur alleine veräußerte Aspekte zur Herrschaftslegitimation bereithält, auch die Priester entfremden sich dem wahren Rekurs, die Gesellschaft entbehrt zuletzt jedem Eingeweihtentum. Aus ursächlich wahrem Priestertum wird Priesterbetrug, aus legitimer, aus dem Wissen abgeleiteter Hierarchie Macht-Usurpation. Das Wissen, mythologisch zwar noch bewahrt, kann aus dem Mythos nicht mehr gelesen werden, Kult und Ritual veräußern sich vielmehr total im Weltlichen. Das Symbol der einstigen Gründung ist so schließlich ganz erstorben. Die ontische Verortung, die im Grunde autonomistischer Natur ist (und daher theoretisch allezeit im Einzelnen zur Wirkmacht kommen kann), wird nun gar zur Gefahr für die Eliten und geriert zum Interesse aktiver Repression.