Lebensprämisse

C.G. Jung: “Wie die Flugbahn des Geschosses im Ziel, so endet das Leben im Tod, der mithin das Ziel des ganzen Lebens ist. Selbst dessen Aufstieg und sein Höhepunkt sind nur Stufen und Mittel zum Zwecke, das Ziel, nämlich den Tod, zu erreichen. Diese paradoxe Formel ist nichts als der logische Schluß aus der Tatsache der Zielstrebigkeit und Zweckbestimmtheit des Lebens.”
An das Gesagte schließt sich zwangsweise die Frage nach dem Sinn. Fichte sagt: “Ich äße und tränke, damit ich wiederum hungern und dürsten und essen und trinken könnte, so lange, bis das unter meinen Füßen eröffnete Grab mich verschlänge und ich selbst als Speise dem Boden entkeimte? Ich zeugte Wesen Meinesgleichen, damit auch sie essen und trinken und sterben und Wesen Ihresgleichen hinterlassen könnten, die dasselbe tun werden, was ich schon tat? Wozu dieser unablässig in sich selbst zurückkehrende Zirkel, dieses immer von Neuem auf dieselbe Weise wieder angehende Spiel, in welchem alles wird, um zu vergehen, und vergeht, um nur wieder werden zu können, wie es schon war; dieses Ungeheuer, unaufhörlich sich selbst verschlingend, damit es sich wiederum gebären könne, sich gebärend, damit es sich wiederum verschlingen könne?
Nimmermehr kann dies die Bestimmung sein meines Seins und alles Seins.”

Ein Ausgang kann hier durch die Mitteilung eines (progressiven) Telos und darüber die Bedeutungsänderung des Vorganges des Todes selber erbracht sein. Zum einen: Ein globaler Fortschritt, ein evolutionärer Aufstieg wäre nicht ohne den Aufbau einer Ahnenfolge zu denken. Diese aber zu gewährleisten besetzt (heute) nur einen gewissen Teil der Biographie. Die Zeugung kostet indes keinerlei Mühe oder Zeit, die Aufzucht hingegen die einer Generation, bleibt dabei aber nicht dem Individuum zwingend beauftragt, sondern kann auch der Gemeinschaft übertragen sein. Die weitaus längere Lebenspanne, die weitaus größere Einlassung bleibt jedoch der Reflexion des Subjektes auf sich selbst übertragen und wird so zur eigentlichen und im Sinne des Wortes letztendlichen Lebensprämisse, die so die Werdung als individuellen Nutzen zur eigenen Individuation und Evolution betont. Ziel ist – den Tod hierbei als transformative Chance begreifend – die Aufhebung des von Fichte so monierten Zirkelschlusses eines Seins, das sich allein in seiner ewigen Perpetuierung schon zu genügen scheint.