Meister Eckart: “Ein Mensch gehe übers Feld und spreche sein Gebet und erkenne Gott, oder er sei in der Kirche und erkenne Gott: erkennt er Gott mehr darum, weil er an einer ruhigen Stätte weilt, wo es Gewohnheit ist, so kommt das von seiner Unzulänglichkeit her, nicht aber von Gottes wegen; denn Gott ist gleich in allen Dingen und an allen Stätten und ist bereit, sich in gleicher Weise hinzugeben, soweit es an ihm liegt; und der nur erkennt Gott recht, der ihn gleichmäßig (in gleicher Weise) erkennt.”
Krishna sagt:“Ein Teil von mir ist der Gott in jedem Geschöpfe.” (Bhagavadgita)
Die Ansicht über die Immanenz des Transzendenten wiederstrebt jedem Gedanken einer Dualität von Weltlichem und Sakralem. Die Priesterkasten haben indes solche Polaritäten immer gefördert, und dies kommt wohl einer Kulturkonstante gleich, denn schon früheste schamanische Gesellschaften geben das Sakrale in die Hand eines kleinen Kreises hierfür besonders Initiierter – das Sanctum wird ihnen exklusiv, es wird exkludiert vom Rest, ritualisiert (der Zugang so kanalisiert) – und dadurch, daß es dem immanenten sakralen Kontinuum überhoben wird, erfährt das Transzendente einen ‘geographischen’ Abzug aus der Welt, weil es plötzlich in einem antagonistischen Verhältnis zum Sein selbst gebracht ist – das nun seinerseits als entprechend profan zurückbleibt. Diese priesterliche Enthebung geriert Hierarchien: Eine Hierarchie der Zeit, eine Hierarchie der Orte und eine personale Hierarchie. Das Transzendente entzieht sich so zuletzt dem potentiell Erkennenden – also dem Einzelnen- seiner Erfahrbarkeit, denn diese Enthebungen berauben den Menschen dem Vertrauen auf die eigene Teilhabe an der Allgegenwart des Sanctums, so entbehrt er der Unmittelbarkeit, die eigentliche Schnittstelle im Zeitlichen zur Interaktion mit dem Ewigen -die Gegenwart-wird verstellt, verstreicht ungenutzt. Nur das rechte Verhältnis zur Gegenwart aber schafft überhaupt die Verbindung zum Ewigen, man kann sogar sagen: Das Gegenwärtige bedeutet nicht weniger als das Antlitz der Ewigkeit (in der Welt). Noch einmal Meister Eckhart:
“Gott ist ein Gott der Gegenwart.
Kein Ding ist Gott so entgegengesetzt wie die Zeit.
Der gegenwärtige Augenblick ist das Fenster,
durch das Gott in das Haus meines Lebens schaut.”
Nur also in der gegenwärtigen -und somit auch örtlich und situativ entgrenzten- Öffnung für das transzendente Prinzip besteht die Möglichkeit der Interaktion des Raumzeitlichen mit dem Überzeitlichen, der Person mit dem Eigentlichen, die Gegenwart meint so die Zeiten umfassende Integration aller Wesens – und Seinsaspekte des zeitlich Explizierten in der Vergegenwärtigung als Eines. Das hier Gesagte läßt sich auch mit folgendem Ausspruch von Angelus Silesius unterstreichen:
” Ein wesentlicher Mensch ist wie die Ewigkeit, die unverändert bleibt von aller Außerheit.”