Zum Wesen von Synchronizitäten

C.G. Jung zu Joseph Rhines Kartenexperiment und ESP: “Er brauchte ein immer wieder erneutes Interesse, das heißt eine Emotion mit ihrem charakteristischen abaissement mental, welche dem Unbewußten ein gewisses Übergewicht verleiht. Einzig dadurch nämlich können Raum und Zeit in einem gewissen Grade relativiert werden, womit zugleich auch die Möglichkeit eines kausalen Vorganges gemindert ist. Was entsteht, ist eine Art creatio ex nihilo, ein kausal nicht mehr erklärbarer Schöpfungsakt. Die mantischen Methoden verdanken ihre Wirksamkeit wesentlich demselben Zusammenhang mit der Emotionalität: sie erregen durch die Berührung einer unbewußten Bereitschaft Interesse, Neugier, Erwartung, Hoffnung und Befürchtung und damit das entsprechende Übergewicht des Unbewußten. Die wirksamen (numinosen) Potenzen des Unbewußten sind die Archetypen. Weitaus die meisten spontanen Synchronizitätsphänomene, die ich zu beobachten und zu analysieren Gelegenheit hatte, ließen unschwer ihre direkte Beziehung auf einen Archetypus erkennen. Er stellt an sich einen unanschaulichen, psychoiden Faktor des kollektiven Unbewußten dar.”

Aus meiner Erfahrung – das emotionale Element alleine gereicht hier bei weitem nicht zur Erklärung.
Und auch der Archetypus wird keineswegs zwingend berührt – zwar wird man naturgemäß nach einem tieferen Impetus hinter synchronistischen Ereignissen fragen, allerdings sind diese inhaltlich oft von solcher Profanität, daß sie eben nur eine alltäglichste Ebene berühren, auch mit der Person weder tiefer verbunden sind noch ihr eigentliches Interesse bewegen. Zuweilen auch kommen zwei Dinge von ganz Außen auf den Erlebenden, die alleine aus sich koinzidieren, den Beobachter selber aber gar nicht persönlich involvieren. Eher also gibt das synchronistische Ereignis eine Auskunft rein ontologischer Art über das Zustandekommen bzw. ein tieferes Wesen von Welt und Realität (darüberhinaus trifft es durchaus auch Aussagen über die Verfasstheit des Perzipienten).
Es sei doch gerade in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß die Realität aus dem Idealismus heraus als Trug und Schein oder zumindest als Abglanz bezeichnet ist. Deren nur vermeintliche Unumstößlichkeit sieht sich von dieser Warte schon zur Disposition gestellt. Doch ist es auch nicht einfach so, daß das Subjekt seine Außenwelt bewirken könnte, schließlich folgt jenes zweite, das hinzukommt, einer ihm eigenen Kausalität und (offensichtlich) eigenem subjektiv initierten, aber in der Ausführung als objektiviert zu beobachtenden Impetus. Tiefer besehen ist dieser Impetus aber wohl nur vermeintlich als Autarkes, sich selbst Gehörendes zu bezeichnen. Den natürlichen Verständnisrahmen übersteigend könnte man von einer Über-Ebene sprechen, an der für sich gesehen ichhafte Kausalitäten nicht mehr im Subjekt und so gar nicht mehr in uns bekannter Art existent sind, sondern sich vielmehr zu einer Gesamt-Kausalität objektivieren, die für das Weltliche im Uneinsehbaren, im Unbekannten liegt. Sie trägt so auch das Signum von Gleichberechtigung und Überzeitlichkeit und Non-Lokalität. Die individuierte Kausalität ist dabei nur natürlicher Teil der gesamten Existenz und ihrer Handlungsstränge- daher auch findet die Verwunderung über Koinzidenz nur aus der Reduktion der personalen Warte statt, eben als Teilhaber nur des eigentlich Vollziehenden – dies durchaus eine Erklärung, daß die erste kurze Zeitspanne nach Auftreten der Synchronizität – so zeigt die Erfahrung – als Selbstverständliches wahrgenommen wird, und daß ein Gefühl der Verwunderung hierüber erst verzögert hinzukommt.