Religiöse Wissenschaft

“Der kritische Realismus vermittelt zwei in de Regel zwischen Kritizismus und Realismus kontroverse Positionen: Zwar wissen wir, was wir über das Sein wissen, nur aus der Erkenntnis, und Seinserkenntnis ist nicht unabhängig von der ‘Selbsterkenntnis der Erkenntnis’; für die erkenntnisstheoretische Untersuchung , die nach dem Status der Gegenstände für uns fragt, ‘ordnet sich daher das Erkenntnisproblem dem Seinsproblem über’. Doch für ‘den Seinscharakter des Seienden ist es offenbar gleichgültig, wie weit es erkennbar ist oder nicht’: ‘es gibt ein real Seiendes außerhalb des Bewußtseins, außerhalb der logischen Sphäre und der Grenzen der ratio, die Objekterkenntnis hat Beziehung zu diesem Seienden und gibt ein Stück von ihr wieder, wie sehr immer die Möglichkeit dieser Wiedergabe unbegreifbar sein sollte; aber das Erkenntnisbild deckt sich mit dem Seienden nicht, es ist weder vollständig (adäquat) noch dem Seienden ähnlich.” (Hartmann)

Es ist aber in der Bestimmung des Menschen (oder besser: einer Bewußtwerdung), solche Deckung herzustellen. Dem Seinscharakter des Seienden selbst ist es eben nicht gleichgültig, wie weit es (sich) erkennbar ist. Freilich lebt das Leben -vermeintlich – aus sich selbst gleichsam einem Automatismus, aber doch ist die Frage und der Wille nach dem Eigentlichen allem Bewußtem zutiefst inhärent. (Vielleicht dies gar die Definition von Bewußtsein: Sich selbst und seiner Position und somit der Defizienz zu einer Bestimmung gewahr zu werden, die über die biologischen Automatismen wie Selbsterhalt und Reproduktion hinausreicht.) Volkmann-Schluck sagt über den Neuplatonismus: “Wenn die Selbstanschauung im Noeton zu einem Sich-selbst-auslegen des Denkenden im Gedachten wird, dann gibt es für die Seele über die Selbstanschauung ihrer Gehalte im Nous hinaus eine höhere Stufe der Rückwendung in das Innere, eine Erfahrung ihrer selbst, die allem Sichauslegen in eine unterschiedene Vielheit vorausliegt. Auf dieser Stufe des In-sich-zurück-gehens wird das Sein selbst v o r der Entfaltung in Denkgebilde durch den Nous erfahren.” Es ist die Wissenschaft, die zuletzt den Nachvollzug dieses Sachverhaltes bildet, ein Ergebnis schafft, das wenn man so will einer rationalisierten Mystik gleicht, denn Schau und Wissen konvergieren in der einzigen gegebenen Bestimmung zur totalen Gewahrwerdung (des Verdeckten). Der gesamte Weltaufzug ist als ein Sein (oder Widerschein) dessen zu betrachten, das aus der Selbstentfremdung/Selbstentfernung zu sich zurückzukommen strebt. Die ‘Objekterkenntnis’ einer wissenschaftlichen Empirie folgt diesem Impetus, wird ganzheitlich, was heißt, daß ihr Erkenntnisbild das Seinsverständnis andauernd transzendiert, bis es einst selber das eigentliche Sein wird, das sie sucht. Und dies ist zugleich religiös zu nennen, im wahrsten Sinne.