Ich Transzendenz

Ulrich Leinsle über Meister Eckhart:

“…errichtet Eckhart eine Theologie und Mystik, die auch in ihrer Zeit Anstoß erregte…Sie betont…durch die unmittelbare Seins-Teilhabe am Sein Gottes…die Überwindung der Kluft zwischen dem “Nichts” des Geschaffenen und dem “Sein” Gottes in dem nicht mehr analogen, sondern univoken Seinsverhältnis von Gott …und dem Göttlichen in der Seele.”

Unter Negierung des sinneskonstituierten (illusionär) Existierenden bzw. unter Annahme des Nicht-Seins des Erschaffenen

-wird das Erschaffene und Gott univok.
-wird das Sein und das Nichts univok.
-wird das Erschaffene Nichts.
-wird Gott zum Nichts.

In plotinischer Tradition misst Eckhart aber Gott als Endpunkt seiner negativen Theologie, seiner “stillen, schroffen Wüste” doch Qualität zu: Er sieht die unio mystica im liebenden Wirken (nicht im als exklusiv-elitär mißverstandenen ekstatisch – visionären Erlebnis. Gott ist Liebe: “Got und ich sint eins in diesem Gewirke!” Und der Mensch ist bei Eckehart überhaupt nur als Gott.

Der Gedanke der unio bzw. der Wesenseinheit ist der zentrale und prinzipiell einzige Gedanke, der Eckharts Deutsche Predigten und Traktate durchzieht.

Eckhart in Predigt 14:
“Ein heidnischer Meister setzt die Kreaturen mit Gott gleich. Die Schrift sagt, wir sollen Gott gleich werden (1.Joh. 3, 2). ” `Gleich´, das ist böse und trügerisch” (!) … “Gleichheit ist etwas, was es an Gott nicht gibt; es gibt vielmehr wohl Einssein in der Gottheit und in der Ewigkeit; Gleichheit aber ist nicht Eins. Wäre ich Eins, so wäre ich nicht gleich. Es gibt nichts Fremdes in der Einheit; es gibt nur Einssein in der Ewigkeit, nicht Gleichsein.”
Die antike Traditionslinie dieser Ich -Transzendierung und Seinsteilhabe am Göttlichen (dies in verschiedener Ausprägung von den Orphikern über die Phytagoräer, Empedokles und Platon) erfährt ab dem Aufstieg des Christentums ihr jähes Ende. Eine Neuaufnahme leistet im Prinzip im Westen auschließlich die Naturwissenschaft (dies vor allem seit Heisenberg) und nimmt somit gleichsam die antike Tradition der erkenntnistheoretischen Verantwortung wieder auf, Wissenschaftlichkeit und freie, “offenbarungsunabhängige” ontologische Reflektion als Notwenigkeit im “Sich -Verhalten zum ganzen Sein” miteinander zu verbinden.