Überkommen

Arthur Schopenhauer: “Er sieht sich an allen Stellen zugleich und tritt heraus. – Sein Wille wendet sich, bejaht nicht mehr sein eigenes sich in der Erscheinung spiegelndes Wesen, sondern verneint es.
Das Phänomen, wodurch dieses sich kundgibt, ist der Übergang von der Tugend zur Askesis. Nämlich es genügt ihm nicht mehr, andere sich selbst gleich zu lieben und für sie so viel zu tun wie für sich; sondern es entsteht in ihm ein Abscheu vor dem Wesen, dessen Ausdruck seine eigene Erscheinung ist, dem Willen zum Leben, dem Kern und Wesen jener als jammervoll erkannten Welt. Er verleugnet daher eben dieses in ihm erscheinende und schon durch seinen Leib ausgedrückte Wesen, und sein Tun straft jetzt seine Erscheinung Lügen, tritt in offenen Widerspruch mit derselben. Wesentlich nichts anderes als Erscheinung des Willens, hört er auf irgend etwas zu wollen, hütet sich, seinen Willen an irgend etwas zu hängen, sucht die größte Gleichgültigkeit gegen alle Dinge in sich zu befestigen.”

Zuletzt geht es nach dem asketischen Gedanken um die Überwindung einer Defizienz von Welt und Körper und entsprechender Affektion. Der aufstrebende Mensch mag um sich herum und durch und in sich selbst solche Verhaftung und daher ein Ungenügen erkennen und so das Dasein selbst vom Grund als schmerzvolle, überkommenswerte Minderung seiner eigentlichen Herkunft empfinden. In diesem Denken etwa bemerkte Empedokles bereits zu seiner Geburt: “Und ich weinet und schrie, als ich sah den unheimlichen Wohnsitz.” Der Wohnsitz ‘Welt’ wird indes als “dunkele Grotte” benannt. Diese Empfindung wird möglich im unauslöschlichen Bewußtsein der eigenen und eigentlichen Verortung, aus der sich ein unumkehrbarer Drang zum Höheren ergibt. Der Mensch soll strebend dabei möglichst die Hemmnisse schon im Hier erkennen, durchdenken und beginnend überwinden, um seiner wahren geistigen Veranlagung und Intention Geltung zu verschaffen. Dies aber heißt, er soll rein werden, der Profanität ein Stück entsetzt, durchlässig für die höhere Emanation soll er im Hier schon ein Spiegel sein für die feinstoffliche Welt.