Voltaire über die Tiere

 Voltaire:  “…kann man folgern, was das ganze Altertum bis auf unsere Zeit geglaubt hat und was alle vernünftigen Menschen noch glauben, daß die Tiere eigene Vorstellungen haben.
Gott … hat einen Bund mit den Tieren geschlossen und sie mit einer Empfindung begabt, die oft richtiger ist als die unsrige, und mit einigen Ideen, die sich an diese Empfindung knüpfen.
….die Erbarmung, die wir den Tieren schuldig sind. Es ist auch wahre Barbarei, sie zu quälen.
Bloß die Gewohnheit kann den Schmerz in uns mindern, den wir sonst notwendig empfinden müßten, wenn wir ein Tier umbringen, das wir selbst genährt haben. Es hat immer Völker gegeben, die sich einen großen Skrupel daraus gemacht haben, und noch gegenwärtig dauert derselbe in Indien fort. Die ganze Sekte der Pythagoräer in Griechenland und Italien enthielt sich standhaft allen Fleischessens. Porphyr wirft in seinem Buche von der Enthaltsamkeit seinem Schüler vor, daß er von der Sekte abgesprungen sei, um seinen barbarischen Appetit zu befriedigen.
Man muß, glaub’ ich, allem Menschenverstande entsagen, um zu behaupten, daß die Tiere bloße Maschinen sind. Ist es nicht ein wahrer Widerspruch, daß Gott den Tieren Empfindungswerkzeuge gegeben hat und daß sie doch keine Empfindung haben sollen? Man muß nie Tiere beobachtet haben, um nicht bei ihnen die verschiednen Stimmen des Bedürfnisses, des Schmerzes, der Freude, der Furcht, der Liebe, des Zorns und aller ihrer Leidenschaften zu unterscheiden. Seltsam wäre es, wenn sie Empfindungen ausdrückten, die sie nicht hätten.”