Denken und Sein

Fichte: “Nicht darin besteht die Religion, worin die gemeine Denkart sie setzt, daß man glaube, – dafür halte, und sich gefallen lasse, weil man nicht den Mut hat, es zu leugnen, auf Hörensagen, und fremde Versicherung hin; es sei ein Gott: denn dies ist eine abergläubische Superstition, durch welche höchstens eine mangelhafte Polizei (Staatsverwaltung) ergänzt wird, das Innere des Menschen aber so schlecht bleibt, als vorher, oft sogar noch schlechter wird; weil er diesen Gott sich bildet nach seinem Bilde, und ihn verarbeitet, zu einer neuen Stütze seines Verderbens. Sondern, darin besteht die Religion, daß man, in seiner eigenen Person, und nicht in einer fremden, mit seinem eigenen geistigen Auge, und nicht durch ein fremdes, Gott unmittelbar anschaue, habe, und besitze. Dies aber ist nur durch das reine und selbständige Denken möglich; denn nur durch dieses wird man eine eigene Person; und dieses allein ist das Auge, dem Gott sichtbar werden kann. Das reine Denken ist selbst das göttliche Dasein; und umgekehrt, das göttliche Dasein in seiner Unmittelbarkeit, ist nichts anderes, denn das reine Denken.”

Und das Denken soll man hier weiter gefaßt verstehen, denn das Denken wird ein Sein, ein vergegenwärtigendes Werk zum Zweck des Höchsten. Das Leben in seinem Sich-Verhalten zu diesem und in seiner Äußerung und Betätigung wird ein Sich-ins-Verhältnis-Setzen und so zu einem seinsvollen Angleichen (an das Göttliche).
Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Zum wahren Selbstbesitz gelangt die Seele aber durch die im ‘Lernen’ vollzogene Aneignung der Wissensgehalte, die ihr zunächst fremd gegenüberstehen, die sie sich aber im Lernvollzug zu eigen macht. Die Einung mit dem Wissensgehalt ist aber in Wahrheit die eigene Wesensaneignung – ‘erinnertes’ Wissen – ,durch die sie sich gegenüber dem Taumel des Tuns zur ruhigen Schau erhebt.”
Wissen geht dabei über das weltlich Erfahrbare weit hinaus, wissendes Denken wird erkenntnisgeleitetes, sich transformierendes Dasein. Dies erst meint ‘Schau’. Und Sensitivität und Bereitschaft hierzu findet Ermöglichung durch ein Leben, das physiologisch wie psychologisch nach Klärung, nach Reinigung, Aufstieg und Wachstum strebt, ein Leben zudem, das in völliger geistiger Autarkie bewältigt werden soll.