Der Tod ein selig Ding

Seneca zu Epikurs ‘Gedenke des Todes’: “Der Sinn ist klar: es ist eine herrliche Sache, sterben zu lernen. Du hältst es vielleicht für überflüssig, das zu erlernende, dessen Anwendung sich auf einen einzigen Fall beschränkt. Eben das ist es, was es uns zur Pflicht macht, darauf zu denken. Immer muß man das erlernen, von dem wir durch keine Erfahrung erproben können, ob wir es auch wissen. ‘Gedenke des Todes!’ Wer so spricht, heißt uns der Freiheit eingedenk sein. Wer zu sterben gelernt hat, hat verlernt Sklave zu sein. Er ist über jede äußere Gewalt erhaben oder wenigstens außerhalb derselben. Was wollen gegen ihn Kerker und Gewahrsam und Riegel? Er hat freien Ausgang. Nur eine Kette gibt es, die ihn gefesselt hält, das ist die Liebe zum Leben. Wir wollen sie nicht von uns weisen, aber wir müssen ihren Druck mindern, damit, wenn die Entscheidung eintritt, uns nichts zurückhalte und hindere, bereit zu sein, das ohne Zögern zu tun, was einmal doch geschehen muß.”

Angelus Silesius sagt:

“Tod ist ein selig Ding: je kräftiger er ist, je herrlicher daraus das Leben wird erkiest.”

Die eigentliche Freiheit liegt im Leben, das nicht äußeren Bedingungen unterworfen ist, das überhaupt keine Objektivation eines Außen kennt sondern das schöpferisch psychisch ist aus einem selbst (Selbst), und dieses Sein liegt umso mehr außerhalb des raumzeitlichen Lebens, als es erst dort wahrhaft erfahren werden kann, wo die Körperperzeption keinen filternden, stoffbildenden Hinderungsgrund eben zur (geistigen) Freiheit (=geistigen Welt) mehr darstellt. In dieser Gewissheit der Bestimmung relativiert sich das hiesige Leben als eine Minderung und Hemmung – im weitaus besseren Falle wird es zur Vorbedingung oder Propädeutik zum Eigentlichen – als eigentliches Leben. Der Wert des hiesigen Daseins liegt nun eben darin, dies zu erkennen und das Leben eben so zu gestalten, daß es dem Wachstum des eigentlichen geistigen Wesens des Menschen dient (was lebenszeitlich zunehmende Gewahrwerdung meint), was mit anderen Worten eine Ertüchtigung über das Diesseits hinaus (schon im Leben) beschreibt. Und hierin liegt die größte Freiheit: Die eigene Unsterblichkeit zu vergegenwärtigen und im Herzen entsprechend zu sein, im Tiefen unabhängig und da schon ledig aller äußeren Bedingung.