Ken Wilber – Nirmanakaya

Ken Wilber schrieb 1981 zur Konzeption einer Einheit des grobstofflichen Bereichs (er nennt dies das nirmanakaya-Zeitalter): “Man wird in der Technologie ein geeignetes Hilfsmittel zur Transzendenz und nicht einen Ersatz dafür sehen; Massenmedien und drahtlose Telekommunikation sowie neuartige Verbindungen zwischen Mensch und Computer werden als Vehikel eines vereinigenden Bewußtseins genutzt werden. ”
Aus seiner Zeit heraus – mindestens 15 Jahre vor der Etablierung des  Internets –  eine erstaunliche (technische) Voraussicht. Die angesprochene Bewußtseins-Implikation kann indes von monistischer oder idealistischer Warte nur wenig überraschen, denn was Wilber hier anbahnt, meint eine bedeutsame Facette  gnostischer Aufwärtsbewegung, die ihrer Lagerung im Progressiven und  Zukünftigen gemäß, technischen und eben zugleich  auch ontisch verbindenden Charakter aufzuweisen hat. Bewußtsein und Technik (Technik als sichtbare Hervorbringung des Bewußtseins) korellieren auf selbstverständliche Art, insofern ist ein technisches Niveau Zustandsbild der die Welt umfassenden bewußtseinsevolutorischen Möglichkeit und deren kollektiver Verwirklichung, die sich  durch den grundlegenden Fortschrittsimpetus im Menschen selber ständig vorantreibt.  Technik, obwohl sie dem Geist sekundär ist, gewinnt dabei eine gewichtige Rolle, denn sie  untermauert, verstärkt  und demokratisiert bzw. globalisiert einen Prozeß zur Bewußtwerdung und zur Kenntnis und Durchdringung (des Numinosen). Auf dem langen Weg der Rückexplikation ist der von Wilber angesprochene Aspekt der Vereinigung nicht fern der Proklamation Johann Gottlieb Fichtes, daß sich das Menschheitsgeschlecht zukünftig zu einem einzigen Körper zusammenzufügen habe, allerdings ist diese idealistische Fügung erst in der Überwindung der kreatürlichen (grobstofflichen)  Disposition des Menschen zum Verallgemeinernden, zum Geistigen zu verorten.   Es ist selbstredend nötig, vom heutigen Standpunkt aus hier von etwas Utopischem zu sprechen.

Weiter Wilber: “Die Menschheit wird kulturelle/nationale Unterschiede als absolut akzeptabel und wünschenswert ansehen, diese Unterschiede jedoch vor dem Hintergrund eines universalen und gemeinsamen Bewußtseins sehen und daher radikalen Isolationismus oder Imperialismus als verbrecherisch betrachten. Die Menschheit wird ferner alle Menschen als eins im Geist ansehen, allerdings nur als potentiell eins im Geist, und daher jedem Individuum Anreize geben, diesen Geist hierarchisch zu aktualisieren, wodurch sinnlose und unverdiente Ansprüche begrenzt werden.”

Wilber weist hier auf einen elementaren Aspekt hin: Der Status der Inkarnationen (zeitlich und geographisch) ist nicht zufällig und  bedingt jene sozialen und  kulturellen Zusammenschlüsse, die  den Mitgliedern eine ihnen gemäße und sinnhaft zu verwirklichende  Entwicklung  ermöglichen (die in ihrem Gesamtbezug stets   transzendenten Charakter aufweist und darin  einem zu erfüllenden Auftrag gleichkommt.).  Die potentielle Anlage aller Menschen hingegen deutet zwar  auf eine letzte völlige Einheit (Einsheit), ist aber ihrem  verwirklichten Status gemäß in der Explikation sinnhaft und grundhaft nicht beisammen. Das Beisammenkommen ist insofern evolutionärer Telos, nicht aber etwas Oktroyierbares , nicht durch Sprung oder Revolution zu erzielen, denn dies würde vielmehr die verschiedenen Friktionen verstärken, somit  das zugrunde gelegte transzendente Ziel und Prinzip negieren, also gegen den Geist selbst gerichtet sein. Karl Jaspers sagt: “Nur in der Freiheit können Menschen einmütig werden.” Die Schwierigkeit liegt also darin, die Freiheit dort zu erhalten, wo sie prominent auftritt, da sie sich hier überhaupt erst -annähernd singulär- entwickeln konnte – und wenn dies auch auf restriktiv Weise geschähe – um sie dann-wiederum in Freiheit – aus sich selbst heraus- zu mehren. Nur so kann ihr Prinzip wirken und ausstrahlen,  zu neuer Freiheit werden, denn anders würde sie ganz vergehen-um  erst wieder  in einer entfernten  Myriade  Geltung beanspruchen können.  Bevor also innere Befähigung und Wille hierzu nur sehr partiell entwickelt und vorhanden sind, ist der forcierte Versuch der  Einigung umgekehrt  ein Weg in den Verlust, in die Dekonstruktion des Erreichten, muß so in eine  Abwärtsbewegung  epochalen Ausmaßes münden.