Körper als Instrument

Plotin: “So werden denn seine Handlungen nur zum Teil auf die Glückseligkeit zielen, zum andern Teil geschehen sie nicht um des letzten Zieles willen, überhaupt nicht um seinetwillen, sondern wegen des irdischen Ich, das mit ihm verkoppelt ist, für das er sorgt und das er erträgt, solange es angeht, so wie der Leierspieler sein Instrument versorgt, solange es angeht, darauf zu spielen; geht das aber nicht mehr, so vertauscht er es mit einem andern Instrument, oder er gibt überhaupt das Leierspielen auf und unterläßt die Betätigung auf der Leier, da er jetzt ein anderes Geschäft ohne Leier treibt, er läßt sie unbeachtet neben sich liegen, denn er singt jetzt ohne Instrument. Und doch wurde ihm nicht umsonst zunächst dies Instrument verliehen, er hat doch oft auf ihm gespielt.” (Plotin, Die Glückseligkeit)

So hat der Körper also einen Zweck zu vollbringen – und der Sinn hierbei ist ja weit höher angesiedelt, als daß er in dieser Welt lediglich seinen Aufgaben nachzukommen hätte, denn die Körperfunktion bezeichnet die Konstitution dieser Welt selbst – so wie die Leier ja erst durch ihre Bauart ein Eigenes, ihr charakteristisch klingendes Lied (entsprechend einem Abgriff als einer Welt ) hervorbringt. Also ist der Körper so zu behandeln, daß er gut geeignet wird zu einer nutzvollen Hervorbringung, damit auch seine (Welt-) Melodie gut erklingen kann – denn nach deren Vortrag bewertet sich der Stand des Spielers. Der Stand indes steht für das Telos, für Entwicklung und Fortkommen. Dies heißt im Bezug auf die allgemeine Physiologie: Der Körper soll idealiter bar jeder Einschränkung sein, man soll ihn dabei weiter nicht spüren, er soll nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, vielmehr soll er zurücktreten von jedem Selbstzweck und nur der Aufnahme und Übersetzung dienen. Was aber seine Perzeptionsfähigkeit betrifft, so sollen sich seine Sinne fortwährend schärfen und verfeinern. Zwar ist dem physikalisch eine Grenze gesetzt, aber die Verarbeitung der Eindrücke ist entwicklungsfähig durch einen sich steigernden Grad der Bewußtheit, und eben diese Verbesserung korreliert mit einem gesteigerten Sein, was Welt-Entwicklung heißt.
Hört der Körper aber natürlicherweise auf zu funktionieren oder schränkt er seine Funktion zum allmählichen Tode hin ein, meint dies, der Geist sollte rechtzeitig vorbereitet sein, sein Vehikel aufzugeben und nach einem neuen zu schauen, denn einzig von Gewicht (zum Sein) ist der Seele Befähigung zum Sehen, Erkennen, und in Existenz zu bringen. Die höchste Verwirklichung der Existenz ist einst der Aufgang in das Höchste, das Eine. Daher soll auch jedes Instrument jeweils gegen ein besseres getauscht werden. Solange wie nötig, mag dies im Körperlichen geschehen, die eigentlichen Instrumente der Gewahrwerdung liegen aber im Feinstofflichen und drängen zu einer Existenz in diesem und über dieses hinaus.