Geringe Welt

Meister Eckhart sagt: “Ein Meister sagt, daß der Himmel in seiner Natur so edel sei, daß er sich nicht dazu herablassen könne, Ursache der Zeit zu sein. In seiner Natur vermag er die Zeit nicht zu verursachen; in seinem Umlauf jedoch ist er Ursache der Zeit . Er selbst aber ist ohne Zeit – , das heißt im Abfall (von der Natur) des Himmels. Meine äußere Erscheinung ist nicht meine Natur, sie ist vielmehr ein Abfall (von) meiner Natur, und unsere Seele ist weit darüber (erhaben) und ‘ist in Gott verborgen’. Ich sage nun denn nicht allein: über der Zeit, sondern ‘in Gott verborgen’. Bedeutet das der Himmel? Alles, was körperlich ist, das ist ein Abfall und ein Zufall und ein Niederfall.”

Plotin:
“Materie also, welche den Figuren, den Gestalten, Formen, Maßen und Grenzen zur Unterlage dient, sie, die sich mit fremder Zier schmückt, denn sie hat aus sich selber nichts Gutes, sondern ist nur ein Schattenbild im Vergleich mit dem Seienden, ist vielmehr die Substanz des Bösen (sofern es auch vom Bösen irgendwie eine Substanz geben kann): sie ist es, welche unser Gedankengang aufgedeckt als das erste Böse und das an sich Böse.” (Plotin, Das Böse)

Daher: Nur in der Gegenbewegung, der Rück-Emanation zum wahrhaft Substanziellen kann das eigentlich Gute zur Verwirklichung kommen. Diese Bewegung beschreibt einen Weg aus dem Bild und der Schwere, denn Materie ist Resultat der Wahrnehmung, die durch ihre Trägheit Einschränkung und Verlangsamung meint; das Unanteilhaftige an dieser Bewegung aber bezeichnet ein Vergehen gegen das Prinzip des Wesens des Einen der inneren Verbundenheit. Schon die Etymologie des Begriffes verweist hierauf, denn “das Böse” leitet sich ab “von althochdeutsch bôsi, von germanisch *bausja-gering‘, ‚schlecht” (Wikipedia). Dagegen steht das Gute für die Fülle und meint zugleich einen höchsten Seinsrang. Nun lebt der Mensch aber alltäglich ganz im Bild (also in (s)einem reduziertem, abbildhaften Sein) und ist entsprechend genötigt, mit diesem zu handeln. So soll das Sich-Sein im Bild nicht schon aus sich als böse benannt werden, denn vielmehr hängt eine moralische Wertung vom aktualen Handeln in diesem Ausgesetztsein ab, welches das Bild (also Welt) als Exempel zu interpretieren beauftragt ist, an der sich eine qua Geburt als dem Eintritt in die Materie konnotierte Schuld zu bewähren hat, indem im Einzelnen biographisch eine Einsicht wächst, die gerade auch in der Selbsterkenntnis über die unvermeidabre Schadhaftikeit des eigenen Tuns in der Welt besteht, und sei dies Tun nur angetan zur Selbstbehauptung und zum reinen Überleben, was ja schon allein eine Wegnahme bei ‘dem Gegenüber, dem Anderen’ implizieren muß – was indes zeigt, daß man eine ‘Grund-Schuld’ der Welt im Lebensradius niemals wirklich fliehen kann. Es sollte aus dieser Defizienz heraus nun die Blickrichtung zu einer Verallgemeinerung des Eigenen, dabei auch eine Relativierung der Spezies, der Art eingenommen und konnotiert sein mit einem Handeln in der Welt, welches alles Körperliche über den Erhalt der Form hinaus transzendieren soll. Dieses ist nur möglich unter der Aufhebung der Welt (als Bild). Und dies meint eine ganz geänderte Blickrichtung (im und aus dem Bild), meint Aufstieg zum Geist, Aufstieg zum Guten.