Brautmystik

Mechthild von Magdeburg:
“Eia Herre minne mich sehr
und minne mich oft und lang!
Je öfter du mich minnest desto reiner.
je länger, desto heiliger
wird meine Seele schon auf Erden sein.”

Anders als eine unio mystica, die die Komplettierung des Einzelnen zur Gesamtheit des Göttlichen meint, die die Erkenntnis der Univozität von Seele und Gott, die Identität von Subjekt und Objekt herausstellt, kann man bei dieser Form der Brautmystik nicht ohne Grund von der Darstellung von sublimiertem erotischem Verlangen sprechen, also der Verlagerung des (erzwungen unterdrückten) körperlichen Begehrs zum geistigen Begehr. Schon aber durch die Zentriertheit auf die Person Jesu verkennt die Brautmystik völlig die erkenntnisorientierte Implikation des mystischen Weges, sowie die eigentliche Intention Jesu, zu diesem Erkennen als Anleiter zu dienen. Statt dem Weg des Erkennens nachzugehen, hat man eine personale Verehrung des Lehrers gesetzt.So bleibt bei der Brautmystik alles auf der auschließlichen und auschließenden (antitranszendenten) Qualität einer zwischenpersonal vorgestellten Liebesbeziehung stehen.
Beachtet man in dem Kontext christlícher Mystik hingegen (exemplarisch) die Biographie Heinrich Seuses, so scheint dieser Spinozas Affektenlehre (nach der der Mensch sich dadurch konstituiert und verhält, daß lediglich der eine Affekt durch den nächststärkeren abgelöst wird)antizipiert zu haben.  Er bekämpfte nämlich  seinen Sexus, indem er sich über viele Jahre körperlichen Schmerz zufügte.
Hier handelt es sich also nicht um Überwindung, sondern lediglich um die Verlagerung von einer Affektion zur nächsten, was nun  längst nicht “Geistigkeit” meint. Denn Geistigkeit  versetzt in die Lage (und dies trat bei Seuse einst ein), aus dem Geist selbst heraus “zu lassen” und den höchsten Affekt Spinozas (nämlich der Vernunft) die beherrschende Kraft einzuräumen.