Westliche Dissoziation

Die Dissoziation von Körper und Geist, die Kluft zwischen Wissenschaft und Spiritualität als westliche Eigenheit- (zur Entlastung vorweg: Manche Kulturkreise pflegen bzw. pflegten überhaupt keine Wissenschaft) wird vornehmlich mit dem Aufstieg der Ersteren in Verbindung gebracht (der Aufstieg wird in Europa durch das Zurückweichen der Scholastik – die die Wissenschaft und den Geist in ein falsches Korsett zusammengezwängt hatte-zeitlich auf die Renaissance determiniert.) Diese Kluft geht aber ursächlich und lange schon vor der erhöhten Gewichtung von wissenschaftlicher Evidenz mit der Ausbreitung der christlichen Religion einher. Diese bildet nämlich lediglich die andere Seite der rationalistischen Medaille, die Trennung wurde zu guten Stücken von geistiger (besser: geistlicher) Seite eingeleitet. Das Spirituelle, die Anbindung, die “magische Durchdringung” der Welt wird nämlich auf zweierlei Weise gestört, bzw. beendet: Erstens durch die Kluft von Gott zur Schöpfung (bzw. die Überlagerung der alten Kulte mit dem Neuen/Pseudo-Rationalisierten) durch den theologischen Fall in ein Materielles, vom Numinosen Getrenntes (der typisch abrahamitischen monotheistischen Vorstellung), und zweitens durch die geforderte Mittelbarkeit durch eine  Priesterkaste, die die geistigen und rückbindenden Befugnisse vom Einzelnen abzieht und zudem schlußendlich, sozusagen postmortal in ein zeitlich nachgeordnetes Jenseits verlegt (statt den Raum selber zu transzendieren). Während aber die Wissenschaften durch eine Rationalisierung vorläufig profitiert und prosperiert haben, hat die Rationalisierung der spirituellen Dimension zu nichts als Verrenkungen und zur Detransformierung des Numinosen, zur Verstellung des Begriffes von einer Transzendenz-Teleologie geführt. Die naturwissenschaftliche und theologische Ägide für die Zukunft hätte in die Richtung einer Zusammenführung – oder auch Zurückführung – zu weisen, aber eben mit den Beschreibungs-Werkzeugen der Moderne unter Integration (und Transzendierung) der verwendbaren (väterlichen) Errungenschaften. Hegel: “Nachfolgen heißt zugleich verneinen und bewahren.”