Buddhismus und letztes Prinzip

Traditionell “buddhistisch” scheint mir jeher die Erklärung das Daseins aus sich gegenseitig bedingenden “dharmas”. Um nun das Verhältnis der Buddhisten zum letzten Grund oder überhaupt die Frage nach dem Vorhandensein eines darüber/dahinter liegenden einenden letzten Prinzips zu klären, zitiere ich aus Glasenapp “Die Philosophie der Inder”:  “Der ältere Buddhismus hatte keinerlei ewige Substanzen in der Wandelwelt anerkannt und das Einzelwesen in eine Vielheit von nach ehernen Gesetzen in funktioneller Abhängigkeit entstehenden vergänglichen Daseinsfaktoren aufgelöst.” (Woher aber kommen diese Faktoren? Hier offenbart sich ja bereits eine Schwachstelle dieser Konzepzion. Und tatsächlich: ) “Diese Dharmas, das heißt dinglich vorgestellten Kräfte aber waren ihm die letzten nicht mehr reduzierbaren Wirklichkeiten, durch deren Zusammenspiel alles hervorgebracht wird. Die Philosophen des Mahayana stellen nun die Frage, ob sich eine tiefdringende Analyse bei der Annahme einer derartigen Vielheit von separaten kurzfristigen Faktoren als Realitäten beruhigen dürfe. Wahre Realität hat nach ihrer Ansicht nur das, was eigenständig und unabhängig existiert. Die Dharmas aber besitzen nur eine momentane und bedingte Existenz, kein dauerndes eigenes Sein. Sie sind nur flüchtige Erscheinungen, die schnell vorübergehen und wieder zerrinnen, wie Wasserblasen, Wolken oder Phantasmagorien. Sie sind so wenig echte Realität, wie geborgte Gelder ein Kapital sind. Man muß daher von dem Standpunkt des Hinayana, das in den Dharmas letzte Wirklichkeiten erblickte, fortschreiten zu einem universellen Relativismus, der die Vorstellung, daß die Dharmas irgendwie An-Sich-Realitäten oder Substanzen (dravya), wenn auch nur von momentaner Dauer sind, endgültig beseitigt. Die Lehre, in welcher diese Gedankengänge zur Reife gelangen, wird als die mittlere Lehre bezeichnet, ….Ein anderer Name dieser Philosophie ist die ‘shunya-vada’, das heißt `die ‘Lehre vom Leeren’ …Die höchste Wahrheit besteht darin, daß alles, was ist, nur in Beziehung auf etwas anderes da ist und daß keine positive, nicht – relative An-Sich-Realität existiert.”
(Meister Eckharts Satz aus der ihn inkriminierenden päpstlichen Bulle: “Alle Kreaturen sind ein reines Nichts: ich sage nicht, daß sie etwas Geringes oder (überhaupt) irgend etwas sind, sondern daß sie ein reines Nichts sind.”
An diese erweiterte Auffassung muß sich für den Buddhisten alsdann eben doch ein Telos, ein Heilsbegehr knüpfen. Glasenapp: “In der Meditation versenkt sich der Buddhist in die substratlose Leerheit, die als unbeschreibbare und unbegreifliche Einheit in stiller Ruhe verharrt wie ein Abgrund, über dem sich die unwirklichen Prozesse relativen Daseins zu vollziehen scheinen.” (George Berkeley:“…es gibt eine träge gedankenlose Substanz ohne Akzidentien, welche die Veranlassung zu unseren Ideen ist. “) David Bohm: Die implizite Ordnung schafft eine Gemeinsamkeit tief innerhalb von Materie, Energie, Leben und Bewußtsein. Die explizite Ordnung der sogenannten gewöhnlichen Erfahrungswelt entfaltet das Implizite und macht es sichtbar.
Hier befinden wir uns wieder mitten im Duktus der Negativen Theologie. Eckhart sagt über die “unbeschreibbare und unbegreifliche Einheit” des Buddhisten “das einige Eine, diese stille Wüste ist ohne Weise und ohne Eigenheit.” Und die christlichen Gnostiker: “Er (Gott) ist nicht in Vollkommenheit, noch in Seligkeit, noch in Göttlichkeit, er ist weder körperlich noch unkörperlich …” usw. [Apokryphon des Johannes]

Zu dieser Korrelation auch der Zenmeister Daisetz Teitaro Suzuki: “(So verband sich nun in der Gegenbewegung von Ost nach West -zenistische Spiritualität mit Eckhartscher Mystik, vor allem wo beide vom reinen Nichts( sunyata) sprechen.”
“Immer wenn ich auf solche Übereinstimmungen stoße, wächst meine Überzeugung, daß die christlichen religiösen Erfahrungen im Grunde von den buddhistischen nicht unterscheiden. Alles was uns trennt, ist die Terminologie.”
“…so weiß ich doch: die darin (von Meister Eckhart) geäußerten Gedanken waren buddhistischen Vorstellungen so nahe, daß man sie fast mit Bestimmtheit als Ausfluß buddhistischer Spekulation hätte bezeichnen können.”
Eine weitere Konvergenz: Gerade die Ansicht, die auf immaterialistisch-monistischer Grundsicht den perzeptiven Aspekt des schauenden Subjekts als den eigentlichen Faktor, der das Kreatürliche überhaupt erst in das (scheinbare) Sein bringt (Berkeley: esse est percipi), liegen Eckhart, Plotin und Quantentheorie außerordentlich nahe beieinander: Eckhart: “Wenn das, was die fünf Sinne hinaustragen, wieder in die Seele hineinkommt, so hat sie eine Kraft, in der alles eins wird.” Für Plotin: “Die kurze Charakteristik der somatischen Struktur im Hinblick auf die Einheit hat …die Methode: Die Abwendung von dem Sein in seiner sinnlichen Vorfindigkeit” und “Was die Natur zu einer solchen macht, das sind die Logoi, die Gestaltungsformen der schaffenden Seele, welche die Naturgestalten in das Dasein treibt und als deren individuierte Eide die Natur ist.” (Volkmann Schluck) (!!) Die Nähe der Gedanken ist hier so bestimmend, daß Eckhart vermutlich Plotin indirekt über Augustinus (und/oder evtl über Dionysius Areopagita) aufgenommen hat. Plotin lag als Text im lateinischen Mittelalter nicht vor. Und was sagt schließlich die Quantenphysik zum perzeptiven Aspekt der Welt(en)schaffung? “The world exists when we don´t look at it in some strange state that is indescribable, at that moment we look at it it becomes absolutely ordinary.” (Nick Herbert)