Meister Eckhart sagt: “Die Meister sagen, die Seele habe zwei Antlitze: das obere Antlitz schaut allzeit Gott, und das niedere Antlitz sieht etwas nach unten und lenkt die Sinne; das obere Antlitz aber ist das Höchste der Seele, das steht in der Ewigkeit und hat nichts zu schaffen mit der Zeit und weiß nichts von der Zeit noch vom Leibe. Und ich habe zuweilen gesagt, in ihm liege so etwas wie ein Ursprung alles Guten verdeckt und so etwas wie ein leuchtendes Licht, das allzeit leuchtet, und wie ein brennender Brand, der allzeit brennt, und dieser Brand ist nichts anderes als der Heilige Geist.”
Hier zeigt sich wiederum das Bild vom Amphibiencharakter der Seele, und dies ist ganz neuplatonisch zu denken: der obere Teil weilt fortwährend im Nous, denn er ist ihm wesensgleich, er ist schlicht von und aus ihm; und wird er immanent in der Hiesigkeit, im Ich, so kommt es zu einer sich steigernden Wirkung der Entfaltung aus der eigenen Essenz, die in wiederholten Gleichnissen Bilder von Feuer und Brand bemüht. Gemeint ist die soghafte, verzehrende Art, die mit aller wachsenden Macht nach dem Oben strebt und sich nun selber nährend immerfort (seinem Wesen nach) verstärkt.
W. Beierwaltes schreibt über Ficino: “…ein stetes, grenzeloses Fortschreiten oder Aufsteigen in immer andere, höhere Seinsdimensionen (‘sphaerae’), die in einer sich intensivierenden Form von Sein, Einheit, Intelligibilität oder Gutheit zueinander in Relation stehen. Diese im Rückgang in sich selbst sich vollziehende Bewußtseinserweiterung der ‘mens’ ist eine unendliche, grenze-lose, in ihren eigentümlichen Möglichkeiten unbegrenzte Bewegung. Die ‘Sehnsucht zu sich selbst’, die Intention auf Selbst-Steigerung hin ‘hat kein Ende’, ‘ermüdet nie’, ‘erlischt nie’; je näher sie dem absolut Unendlichen kommt, desto ‘mehr entbrennt ihr Feuer”.