“Macht hat Legitimität nur im Dienst der Vernunft. Allein von hier bezieht sie ihren Sinn. An sich ist sie böse.” Dieser Ausspruch von Karl Jaspers gibt etwas sehr Schwerwiegendes (und in weiten Teilen Verdrängtes) über das eigentliche Wesen institutionalisierter Irrationalität preis. Da aber diese Irrationalität -die ihrem Wesen nach irrational ist, weil sie das Unverifizierte , die geschichtliche Offenbarung bzw. mythische Bildlichkeit (als evolutionsbedingten Bewußtseinsstand) von der Zeitachse und der Bewegung der Progression abkoppelt – den Menschen während all seiner Kulturbildung als höchst dominanter Faktor gleichsam überwölbt, allzeit gar metaphysische Macht proklamiert und diese Macht auch geschichtlich zu affimieren in der Lage ist, ist hier schnell eine gedankliche Brücke zur Grundansicht der Gnostiker von einer (malignen) (über-)weltlichen Umfassung geschlagen. Es ist dabei jeher Privileg einer gesellschaftliche Gruppe (man kann sie Elite nennen), nämlich traditionell der Priesterkaste, die sich als Exponent gegen die Vernunft- oder Bewußtseinsprogression positioniert und sich dauerhaft (übergeschichtlich legitimiert) als Führungs – und Unterdrückungsmechanismus implementiert- und damit wichtigen Anteil an der Enthebung des Menschen von seiner eigentlichen inneren Autonomie geleistet hat. Eine der Menge eigene Passivität kommt diesem Ansinnen stets entgegen. Spinoza sagt, daß es die Schwäche der Menge ist, die eine Furcht hervorbringt, die sich in das trügerische Gewand der Religion kleidet, so daß die Menschen so tapfer für ihre geistige Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil.
Mit der Moderne ist es nicht gelungen, diesen Zustand zu überwinden, da erstens -nach der prinzipiellen Entmachtung des Chistentums – die zwei verbliebenen Abrahamismen ungebrochene Bereitschaft zur Verstetigung ihrer Ansprüche anzeigen und zweitens die ehemals christliche Gesellschaft nach der Säkularisierung nach wie vor eine chiliastische Telelologie verfolgt (nämlich sozialistischer oder sozialliberaler Ausprägung) und somit -eben adäquat eine säkular- materielle – Knechtschaft verstetigt. Mit den Mitteln der Moderne-gerade auch mit den Mitteln des Kapitals- ist es dabei sogar allen möglich geworden, eine weitere Akkumulation dieser ermächtigten Position zu erreichen . Auch hier wieder: Die Allumfassung dieser Ermächtigung gleich einem immanenten Weltprinzip drängt förmlich dazu, gnostisch gelesen zu werden. Die Gnostiker – wie etwas die Katharer haben diese Verknüpfung von Irrationalität und Macht samt Delegitimierung der Menge deutlich gesehen und daher dieses Prinzip (gar nicht anders also als später die Philosophie Jaspers’ ) stringent dem Bösen zugeordnet. Die im folgenden zitierte katharische Zuordnung hat also auch überzeitliche und transkulturelle Übertragbarkeit, da das Prinzip der Vernunftabkehr – und die Befangenheit der Menschen darin – als demiurgisches Prinzip schlechthin erkannt werden kann, als eigentliches Agens , das nachfühl- und nachweisbar mit dem Weltenschicksal in Interaktion steht:
“Papst, König, Inquisitor und Bischof sind die vier Teufel, die die Welt regieren.”
“Die katholische Kirche ist die große Hure der Apokalypse. Das ist die Satanssynagoge, die Kirche der Übelwollenden (maligna), und nur die katharische Kirche der Armen, der benigna, kann den Menschen retten. Die katholische Kirche ist Tradition von Menschen und vollends seit der Kontantinischen Schenkung ganz entartet, das haben die Katharer von anderen abendländischen Ketzern gehört. Die Kirchenväter stehen schon ganz in der falschen Richtung und werden allesamt abgelehnt, sie sind wie die Vogelfänger, die Tierstimmen nachahmen.” (nach Arno Borst, “Die Katharer”)