Anzestrale Konstitution

Eine Gegenrede von C.G.Jung zur zeitkonformen wie irrigen Ansicht, der Mensch wäre qua Geburt unbeschrieben und seine Entwicklung hinge demnach ganz alleine von der darauf erst einsetzenden Sozialisation ab.
“In der individuellen menschlichen Seele gibt es vielerlei Dinge, die man nie erworben hat, denn der menschliche Geist wird nicht als tabula rasa geboren, sowenig wie jeder Mensch ein gänzlich neues und einzigartiges Gehirn hat. Es ist ihm ein Gehirn angeboren, welches das Resultat der Entwicklung in einer unendlich langen Ahnenreihe ist. Das Gehirn stellt sich in jedem Embryo in seiner ganzen differenzierten Vollendung her und wird unfehlbar, wenn es in Funktion tritt, Resultate ergeben, welche schon unzählige Male zuvor in der Ahnenreihe produziert worden sind. Die ganze Anatomie des Menschen ist ein vererbtes, mit der anzestralen Konstitution identisches System, das unfehlbar auf diesselbe Weise wie früher funktionieren wird. Infolgedessen ist die Möglichkeit, daß irgend etwas Neues, von Früherem wesentlich Verschiedenes produziert wird, sogar verschwindend gering. Alle jene Faktoren also, welche unseren nahen und fernen Vorfahren wesentlich waren, werden auch uns wesentlich sein, denn sie entsprechen dem vererbten organischen System. Sie sind sogar Notwendigkeiten, die sich als Bedürfnisse geltend machen werden.”

Die “anzestrale Konstitution”, dies sei noch bemerkt, gilt auch im Sinne der Spezialisation und Identität im Sinne sinnhaft- verwandter Dispositionen. Je höher die Verallgemeinerung, desto mehr Verlust der individuellen und gruppenbezogenen Errungenschaft. Diese ist ja kein Zufallsprodukt, sondern eben ganz in der Linie der Bedingung gemäßer Inkarnation(en) zu denken. Die teleologisch notwendige “Vergemeinschaftung” hingegen kann erst dann zu vollbringen sein, wenn jedes ihrer potentiellen Glieder aus sich selbst zur entsprechenden Eigenüberwindung in die Lage versetzt ist.