Amphibiencharakter der Seele

“Ich behaupte, daß das menschliche Mysterium unglaublich erniedrigt wird durch den wissenschaftlichen Reduktionismus mit seinem Anspruch, der promissorische Materialismus erkläre letztlich die ganze spirituelle Welt in Form von Mustern der neuronalen Aktivität. Diese Annahme muß als Aberglaube eingestuft werden… wir müssen erkennen, daß wir sowohl spirituelle Wesen mit Seelen sind, die in einer spirituellen Welt existieren, als auch materielle Wesen mit Körpern und Gehirnen, die in einer materiellen Welt leben.” (Sir John Eccles)

Dies ist wesenhaft neuplatonisch, denn nach Plotin ist die Seele nie ganz im Leib versunken, etwas von ihr residiert stets “oben” im Geistigen. Hierzu Klaus Kremer: “Die Göttlichkeit der Seele bleibt (im Neuplatonismus) trotz ihrer Verbindung mit dem Leib gewahrt.”
Und: “Daraus resultiert ihr Charakter, ‘gleichsam wie Amphibien’ in zwei Elementen zu leben, bald dort oben, bald hienieden. Der Seele kommt eine Mittelstellung im Reiche der Wirklichkeit zu, insofern sie, prinzipiell dem Göttlichen zugehörig, doch am untersten Rand des geistigen Reiches lebt und der sinnlichen Welt als ihr Grenznachbar etwas von ihrem Sein dargibt. Sie ist letzte Wesenheit der geistigen, die erste Wesenheit der sinnenhaften Welt.”

In dieser Mittlerrolle ist neben dem Ausdruck einer gewissen Verbindung oder Kontinuität der Hypostasen auch eine Aussage über die Vermeintlichkeit der essentiellen Verschiedenheit der Seinsbereiche hinzuzufügen. Die Darbietung geistiger Qualität in der körperhaften Manifestation – der an sich nur bildhaftes Sein zukommt – kann dabei als ein Werk der explikativen Kontemplation über die Möglichkeiten des Geistes erachtet werden. Um aber der überlegenen Überfülle des Geistes gerecht zu werden, proklamiere man (wie Giordano Bruno es beispielsweise tat) eine parallele Explikation in vielen (endlosen) Welten und Entwicklungsstadien. In diesem Zusammenhang sagt auch passend der Upanischad: “So bildet die anscheinend unendliche Vielheit nur eine vollkommene Einheit, und wer das erkannt hat, der ist bereits in seinem irdischen Dasein in das ‘Ich’ eingegangen.” (Johannes Hertel)
Und daher ist in der Imperfektion des Bildes, dem kaleidoskopartigen Bruch der Einheit auch zugleich ein Auftrag, ein Telos zur Überwindung mit ausgesprochen – in eigener Rückbesinnung sowie in der Verantwortung zur Gemahnung an diejenigen, die fern von diesem Verständnis sind. Dies impliziert ganz lebenspraktisch die stete Bewußtheit, daß ein Auseinanderfall in ein beziehungsloses Nebeneinander nur in defizienter Beobachtung erblickbar und somit auch haltbar ist. Hierin auch die moralische Implikation zum Guten als Bestimmung des (bzw. zum) Einen. Ziel hierbei ist, in sinnhafter, geisthaft gestifteter Beziehung über die evolutionäre Affirmation oder Steigerung von Zugehörigkeit (und so Verschiedenheit in Vielheit) zuletzt doch die Gattung(en), die Vielheit selbst und alle Welt in Bildhaftigkeit zu überwinden.