Die Einung

Werner Beierwaltes: “Diese Einung mit dem ‘Einig Einen’ ist es, worum Meister Eckharts ganzes Denken und Leben letztlich kreist: die Geburt Gottes in der Seele des Menschen als die Wiedergeburt des Menschen in Gott. In ihr wird ‘Gottes Grund und der Seele Grund’ Ein Grund: die intensivste Erhebung und Umformung des Menschen, in der er wird, was er war – sich selbst gründend in seinem absoluten Grund. Dieses gegenseitige Sich-gründen auf eine ineinander wirkende Einheit hin macht keine Unterscheidung mehr denkbar. In dieser von aller Differenz freien, absolut ‘gleichen’ Einheit mit dem göttlichen Grund, der in diesem Geschehen auch frei gehalten ist von einem ‘Gott’ als einem ‘Gegenstand’ theologischer Reflexion, – in dieser wieder erreichten, ursprunghaften Einheit ‘bin ich’ allein ‘min selbes sache nach minem wesene’, ‘causa mei ipsius’ – ‘Ursache meiner selbst’ im Absoluten.

Wie aber läßt sich etwas von dieser machtvollen Ansicht wissentlich in den Alltag übertragen?
– Durch gedankliche Vergegenwärtigung dieses Sachverhaltes und die Verstetigung dieses Gedankens als Gewißheit und Seinsgrundierung, auf der sich vordergründig das alltägliche, entsprechend unzulängliche Leben abspielt und so als solches als Symbolisches anerkannt und relativiert wird. Wachstum heißt hier, nicht die Dinge sehen, sondern wesenhaft erkennen – dabei durch sie hindurchschauend auf ihren Grund ihr dahinter Verbindendes zu kommen. Hieran knüpft sich die Aufgabe, das Innere mit der äußeren – selbst alltäglichen – Realisierung und Konkretisierung möglichst in Kongruenz zu bringen.
– Durch die Anwendung des Einheitsgedankens auf alles außer mir, Mensch, Tier und Pflanze und Mineral: Alles ist Teil und somit auch Bedingung zum Einen. Der Mensch ist darin wie alles formhaftes Bewußtsein – geschaffen und schaffend und konstitutiver Teil aller Kausalität. Form und Gattung meinen dabei nur Sicht, die sich aus dem Selbst bedingend teilt und (zu Weltsein als Vielheit) wahrnimmt.
-Dementsprechend auch muß eine Moralität gedacht werden. Sie zielt darauf, im eigenen Tun Schaden des Anderen zu vermeiden, und wo dies nicht möglich wird, sich selber anteilig (schuldig) an der Objektivierung zur Distraktion zu erkennen. Außer dieser Perspektive muß sich jedes Singular zum großen Moralischen ergänzen. Gelingt dies im Großen (zeitlich) nicht, ist die Distraktion welthafter Teil meiner Inkarnation und dazu Signum meiner unzulänglichen Verfassung, die meiner Inkarnation bzw. meiner Dispostion zu ihr gemäß ist und die somit nur überbiographisch abdingbar wird.
Und weiterhin geschieht Einung durch Annahme von Sinnhaftigkeit in allem, aber dabei mit den Blick nach dem Telos zur Überwindung der Kausalitäten, die nicht nach dem Einen gerichtet sind.