C.G. Jung, Symbol und Hinderung

C.G.Jung: “Die Nützlickeit des dogmatischen Symbols: Es formuliert ein ebenso gewaltiges wie gefährlich -entscheidendes seelisches Erlebnis, das um seiner Übermacht willen mit Recht als ‘Gotteserfahrung’ bezeichnet wird, in einer dem menschlichen Auffassungsvermögen erträglichen Art und Weise, ohne den Umfang des Erlebten wesentlich zu beeinträchtigen, noch dessen überragender Bedeutung schädlichen Abbruch zu tun. ” 

Diese Bemerkung möchte ich so nicht unwidersprochen hinnehmen. Hierzu vorab mein Aphorismus: 

“Das Symbol meint einen herben Verlust an Details.”

Hiermit soll ausgedrückt sein, daß das Symbol angetan ist,  den ursächlichen Sachverhalt und Sinn, für den es (idealerweise) stehen mag, ganz zu verstellen und in Folge den Menschen durch die quasi unkenntliche Übersetzung von der Ausfüllung des Sinnes, von seiner transzendenten Verantwortung zu suspendieren. Das Symbol steht als Bild für Verallgemeinerung  und Distanz, für einen ohne Weiteres nicht mehr kompensierbaren Bezugs-und Inhaltsverlust, der eben bis zum Ausfall der metaphysischen  konstituierenden Ursächlichkeit und der ihr immanenten individuellen Verantwortungen und Erlebnisebenen führt und diese sogar negiert oder mit Restriktionen belegt.
Platon hingegen wußte noch von der “der Seele eines jeden innewohnenden Wissenskraft” und vom  “Organ, durch welches ein jeder zu Kenntnissen kommt, ganz ähnlich wie wenn man das Auge nicht anders aus dem Dunkelen nach dem Hellen umwenden könnte als mitsamt dem ganzen Leibe, so sie mitsamt der ganzen Seele aus dem Bereiche des Werdenden nach der anderen Seite umkehren muß, bis sie fähig geworden ist die Betrachtung des Seienden und des Hellsten unter dem Seienden auszuhalten.” (Platon, Politeia)
Diese Herausforderung, dieser Auftrag an den Einzelnen  bedarf keines Symbols, das durch seine Platzhalterrolle  vielmehr wie zur  Reminiszenz an etwas Entferntes und Vergangenes nur Hemmnis zur gegenwärtigen spirituellen Konkretion wäre – Selbstvollzug und Wahrheitsfindung bedürfen überhaupt keiner Symbole (bestenfalls wären diese Initial).  Daher sagt C.G. Jung dann auch an anderer Stelle:”Die individuelle Erfahrung…ist das warme rote Blut, das heute pulsiert. Sie ist für einen Wahrheitssucher überzeugender  als die beste Tradition.” 
Und weiter C. G. Jung auch folgerichtig nicht ohne Widerspruch zum hier einführenden Zitat):  “Hatte man vielleicht überhaupt nie gewußt, was die heiligen Bilder bedeuteten… Fast scheint es so, als als ob diese Bilder bloß gelebt hätten, und als ob ihre lebendige Existenz einfach hingenommen worden wäre, ohne Zweifel und ihre Reflexion, etwa so, wie alle Leute Weihnachstbäume schmücken und Ostereier verstecken, ohne überhaupt je zu wissen, was die Gebräuche bedeuten. Darum sterben von Zeit zu Zeit die Götter, weil man plötzlich entdeckt, daß sie nichts bedeuten, dass sie von Menschenhand gemachte, aus Holz und Lehm geformte Nichtsnutzigkeiten sind.”
Und: “Ich bin überzeugt, daß die zunehmende Verarmung an Symbolen einen Sinn hat. Diese Entwicklung hat eine innere Konsequenz. Alles, worüber man sich nichts dachte und was dadurch eines sinngemäßen Zusammenhanges mit dem sich ja weiterentwickelnden Bewußtsein ermangelte, ist verlorengegangen.”

Und zuletzt sein Wort, das einen sehr pragmatisch-weltlichen und soziologischen Impetus der Tradition  offenbart:”…so daß ich völlig überzeugt bin von der außerordentlichen Wichtigkeit des Dogmas und des Rituals, zum mindesten als Methode geistiger Hygenie.”