Giordano Bruno, All – Einheit

“Die Sinnesorgane sind nach Bruno keine kosmischen, sondern erdoberflächenverhaftete Erkenntniswerkzeuge, sie sind ihrem Wesen nach außerstande, Wahrheit oder Wirklichkeit zu registrieren.”
“Während die Substanz immer diesselbe bleibt, weil es nur eine gibt, ein göttliches unsterbliches Wesen …Da seht ihr also, wie alle Dinge im Universum sind und das Universum in allen Dingen ist, wir in ihm, es in uns, und so alles in eine vollkommene Einheit einmündet…Denn diese Einheit ist einzig und stetig und dauert immer; dieses Eine ist ewig; jede Gebärde, jede Gestalt, jedes andere ist Eitelkeit, ist wie nichts; ja geradezu nichts ist alles, was außer diesem Einen ist.”
“Wenn die materielle Welt, wie Bruno mit Heraklit annimmt, dem Flugsand gleicht oder einem ständig neues Wasser herausführenden Strom, dann muß die von den Sinnen registrierte Konstanz und Unveränderlichkeit der Dinge eine Täuschung sein. “(Kirchoff)

Beschäftigt man sich mit verschiedenen Schilderungen von  Nahtoderfahrungen, stößt man verschiedentlich auf Aussagen, daß  man sich im Prozeß einer nachtodlichen Wandlung oder Erhebung selber als Gott oder als Teil Gottes  wahrnimmt, auch gerade aus einer Perspektive der gesteigerten Selbsterfahrung als explizierte Form des Höchsten.  Wir wären demnach körperlich separierter Teil einer gott-bildenden Einheit und hätten  im Aufsteigen des Bewußtseins zunehmend wesenhaft Anteil an Gott.
Giordano Bruno sagte: “In der Schrift “de magia” findet sich der Hinweis, daß sich die unzähligen Einzelseelen im Weltall nicht gegenseitig behinderten, vielmehr seien sie unzähligen Lichtern gleichzusetzen, welche  sich zur Einheit des allumfassenden Lichtes zusammenfügen. Bruno ist der Auffassung, daß die Weltseele bzw. der mit ihr identische unendliche Raum sich aus der unendlichen Zahl von Einzelseelen oder Monaden konstituiere.” (Jochen Kirchoff)
 Eine erstaunliche Korrelation bietet die aus einer Nahtoderfahrung stammende Schilderung  einer umfassenden transzendenten Schau des britischen Künstlers Raymond Kinman : “Stell dir vor, du bist das Hubble-Weltallteleskop und es umgibt dich in alle Richtungen. Stell dir nun vor,  du siehst eine solche  Photographie einer Galaxy. Jede Galaxie ist aus kleinen Lichtpunkten , besteht aus Billiarden von Lichtern. Und in diesem Fall war diese Sicht  unendlich, sie  setzte sich endlos fort, und ich war einer dieser Lichtpunkte, und wir waren alle verbunden. Und diese Lichtpunkte waren jede Tsetsefliege, jede Schnecke, jedes menschliche Wesen, jeder Fels, der jemals gelebt hat (ja, das stimmt, Felsen haben Leben). Jedes Wesen, das jemals gelebt hat, war dort und wir waren alle verbunden , wie ein Ding – (ich war zwar aber noch ich selbst, aber ebenso war ich  “wir” (siehe hierzu auch  Plotin , der von einer beibehaltenen Individualität auch noch in der Vergegenwärtigung der letzten Einheit spricht.) Ich hatte das Gefühl: Ich habe all dies Potential und die Macht Gottes. Ich war nicht Gott, aber auf irgendeine Weise, durch die Verbindung mit all den anderen Lichtpunkten war ich Gott, also war ich Gott, und ich war nicht Gott.”

Und ein Nachsatz zur Eitelkeit:
Nach der All-Einheitslehre Giordano Brunos ist es vor allem die Eitelkeit, die zu einer Aufsplitterung einer ursächlichen Zusammenheit in die Einzelseelen führte.
Meine Anfügung: Nun ist der Beweggrund jeder menschlichen Zusammenkunft -also das, was die Menschen in allen möglichen Variationen zusammentreibt- der bewußte oder unbewußte Wunsch- etwas von dieser verlorenen All-Einheit wiederzuergattern – gerade aber bringen eben erst jene Zusammenkünfte (paradoxereise möchte man sagen) all die Eitelkeiten , die so überaus trennenden Charakter haben, zu ihrer vollsten Blüte.