Freiheit, Fichte, Tantra

Fichte sagt: “Ich hätte blind dem Zuge meiner geistigen Natur folgen können. Ich wollte nicht Natur, sondern mein eignes Werk sein; und ich bin es geworden dadurch, daß ich es wollte. Ich hätte durch unbegrenzte Klügelei die natürliche Ansicht meines Geistes zweifelhaft machen und verdunkeln können. Ich habe mich ihr mit Freiheit hingegeben, weil ich mich ihr hingeben wollte. Die Denkart, welche ich habe, habe ich mit Bedacht und Absicht aus Überlegung aus andern möglichen Denkarten ausgewählt, weil ich sie als einzige meiner Würde und Bestimmung angemessene erkannt habe. Ich habe mit Freiheit und Bewußtsein mich selbst in den Standpunkt zurückversetzt, auf welchem auch meine Natur mich verlassen hatte. Ich nehme dasselbe an, was auch sie aussagt; aber ich nehme es nicht an, weil ich muss, sondern ich glaube es, weil ich will.”

Freiheit ist Hingabe an einen Prozess der Bewegung, die der Geist seiner Natur nach zu nehmen hat. Dieser Imperativ heißt doch zugleich Freiheit, weil so die eigentliche Bestimmung -eben der Freiheit – zur Verwirklichung kommt. Die Freiheit zur gegenläufigen Bewegung ist nur eine vermeintliche, denn sie kann eben nicht in der Freiheit enden. Praktisch aber heißt dies Durchwirkung und Übersteigung, dem eigenen Wesen gemäß in der Welt und dabei in Ausrichtung zur wachsenden Welt (denn Welt selbst ist Schaffung der Seele). Seele indes soll sich selbst gewahr werden. Gerade in der tantrischen Philosophie werden beide Bereiche – Seele und Welt – ineinander betrachtet: Seele und Welt bedingen sich und mit der Änderung der Seele ändert sich ihr Außen (die Welt, individuell und kollektiv).
“Der Tantrismus ist eine Erkenntnislehre, die auf der Untrennbarkeit des Relativen und des Absoluten basiert. Der Tantrismus betont die Identität von absoluter und phänomenaler Welt. Das Ziel des Tantrismus ist die Einswerdung mit dem Absoluten und das Erkennen der höchsten Wirklichkeit. Da angenommen wird, dass diese Wirklichkeit energetischer Natur ist und Mikrokosmos und Makrokosmos verwoben sind, führt der Tantrismus äußere Handlungen als Spiegel innerpsychischer Zustände aus. Da Geist und Materie als nicht vollständig geschieden angesehen werden, ist der hinduistische Tantrismus diesseitsbejahend und benutzt psycho-experimentelle Techniken der Selbstverwirklichung und Erfahrung der Welt und des Lebens, deren Elemente als positive Dimensionen erfahren werden sollen, in denen sich das Absolute offenbart.”
Insofern liegt gerade in der Annahme der eigenen Bestimmung ein Impetus zur Erweiterung und Nicht-Ausschließlichkeit zur Weltkausalität als äußerer Entwicklung einer Sicht, die physikalisch, psychisch und moralisch zu konvergieren hat und so jenes erwirkt, was totale Gegenwärtigkeit erst ausmacht, nämlich echte Einheit.